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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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stand gefährlich nahe
an seinem Rand. Ohne sich auch nur umzusehen, hob er seine Tunika
und begann in das Loch zu pinkeln.
    Ein im Eckstein eines
kleinen Mietshauses eingelassenes Mosaik, das eine Rebe roter
Weintrauben zeigte, pries eine Taverne in der Nähe an.
Vereinzelte violette und weiße Fliesen führten uns um
die Ecke und eine kurze Treppe hinab. Die Taverne war ein kleiner,
muffiger Raum, düster, feucht und leer.
    Die Hitze hatte mich
völlig erschöpft. Nach dem vielen Laufen hätte ich
etwas essen sollen, aber ich hatte keinen Hunger. Statt dessen
bestellte ich Wasser und Wein und beschwatzte Tiro, mitzuhalten.
Ich bestellte noch mehr, und mittlerweile mußte auch Tiro
nicht mehr lange überredet werden. Jetzt, wo seine Zunge
gelöst und er nicht mehr so auf der Hut war, verspürte
ich den Drang, ihn direkt nach seinem Stelldichein mit der Tochter
von Sextus Roscius zu fragen. Wenn ich es nur getan hätte!
Aber dieses eine Mal unterdrückte ich meine
Neugier.
    Tiro war keinen Wein
gewohnt. Eine Zeitlang wurde er recht lebhaft und schwatzte munter
über die Ereignisse des Vormittags und des vorherigen Tages,
wobei er sich hin und wieder selbst unterbrach, um ein Wort des
Lobes auf seinen weisen Herrn auszusprechen, während ich
dösend dabeisaß und nur mit halbem Ohr zuhörte.
Dann wurde er schlagartig still und starrte trübsinnig in
seinen Becher. Er nahm einen letzten Schluck, stellte den Becher
ab, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und war auf der Stelle
eingeschlafen.
    Nach einer Weile
schloß auch ich die Augen, schlief zwar nicht fest ein,
dämmerte jedoch scheinbar längere Zeit vor mich hin und
öffnete nur gelegentlich die Augen für die
gleichbleibende Aussicht auf Tiro, der mit hängendem
Unterkiefer in den Stuhl gegenüber gefläzt saß und
den tiefen Schlaf der Jungen und Unschuldigen schlief.
    Die Halbträume,
in die ich teils versank, teils mir ihrer bewußt blieb, waren
düster, unbehaglich und alles andere als unschuldig. Ich
saß im Haus von Caecilia Metella und verhörte Sextus
Roscius; er stammelte und murmelte vor sich hin, und obwohl er
anscheinend Lateinisch sprach, konnte ich kaum ein Wort von dem
verstehen, was er sagte. Als er sich von seinem Stuhl erhob,
bemerkte ich, daß er einen schweren Umhang trug und beim
Weggehen das linke Bein nachzog. Ich wandte mich entsetzt ab und
rannte in den Flur. Korridore gabelten und vereinigten sich wie
Gänge in einem Labyrinth. Ich hatte mich verirrt. Ich schob
einen Vorhang zur Seite und sah ihn von hinten. Dahinter stand die
junge Witwe nackt und weinend an die Wand gedrückt,
während er sie brutal vergewaltigte.
    Aber wie so
häufig in Träumen veränderten sich die Dinge, und
mir wurde mit Schrecken klar, daß die Frau nicht die Witwe
war, sondern Roscius’ eigene Tochter, die, als sie mich
bemerkte, keinerlei Scham zeigte, sondern mir statt dessen
Küsse zuwarf und ihre Zunge zeigte.
    Ich öffnete die
Augen und sah den schlafenden Tiro. Ein Teil von mir wollte
aufwachen, aber ich war zu schwach.
    Meine Lider waren zu
schwer, und mir fehlte der Wille, die Augen offenzuhalten.
Vielleicht gehörte es aber auch zu dem Traum.
    Im Lagerraum von
Caecilias Haus kopulierten der Mann und die Frau weiter. Ich sah
ihnen von der Schwelle aus zu wie ein verschreckter Junge. Der Mann
in dem Umhang sah sich über die Schulter um. Ich lächelte
still in mich hinein, weil ich erwartete, Tiros vor Erregung
gerötetes, unschuldiges, beschämtes Gesicht zu sehen.
Statt dessen sah ich Sextus Roscius mit lüsternem Blick und
durchdrungen von einer Leidenschaft, für die es keine Worte
gab.
    Ich schlug mir die
Hand vor den Mund und wich angeekelt zurück. Irgend jemand
zupfte mich am Ärmel. Es war der stumme Junge, der sich mit
verheulten Augen auf die Lippen biß, um nicht zu wimmern. Er
versuchte, mir ein Messer zu geben, aber ich weigerte mich, es
anzunehmen. Er schubste mich wütend beiseite und stürzte
sich dann auf die kopulierenden Gestalten.
    Er stach wahllos und
brutal auf sie ein. Doch sie wollten nicht aufhören, als ob
die Stiche ein geringfügigeres Ärgernis wären,
verglichen mit der Lust, die es sie kosten würde, voneinander
abzulassen und den Jungen beiseite zu stoßen. Ich
wußte, daß sie nicht loslassen konnten, als ob ihr
Fleisch irgendwie eins geworden wäre. Während sie
ineinanderdrangen und sich wanden, bildete sich eine Lache von
Blut, das von ihren verschlungenen Körpern rann. Es breitete
sich auf dem Boden aus wie ein

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