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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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ihr zu schweben schien, wie der vom Rumpf
getrennte Kopf eines deus ex mackina im Theater.
    Ich wandte mich wieder
Eco zu. »Drei, hast du gesagt. Hatten sie außer ihren
Umhängen noch irgendwelche besonderen Kennzeichen? Waren sie
groß oder klein? Ist dir irgend etwas Ungewöhnliches
aufgefallen? Einer von ihnen hat gehinkt, sagst du, der
Anführer. Welches war das verkrüppelte Bein, das linke
oder das rechte?«
    Der Junge dachte einen
Moment lang nach und zeigte dann auf sein linkes Bein. Er
kämpfte sich auf die Füße und humpelte im Kreis um
mich herum.
    »Das linke? Bist
du sicher?«
    »Lächerlich!«
schrie die alte Frau. »Der dumme Junge weiß
überhaupt nichts! Es war das rechte Bein, das er nachgezogen
hat, sein rechtes!« Ehe sie sich versah, waren ihr die Worte
herausgerutscht. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Ein
triumphierendes Lächeln kroch auf mein Gesicht und erstarb
gleich wieder, als sie mich mit einem Blick bedachte, wie Medusa
ihn Perseus hätte zuwerfen können. Einen Moment stand sie
ratlos da, dann ergriff sie entschlossen die Initiative. Sie
stürmte auf die Straße, packte den Griff der breiten
Tür, stampfte in den Laden zurück und zog die Tür in
breitem Bogen hinter sich zu, so daß Tiro aus dem Weg
springen mußte. »Wir werden wieder öffnen«,
rief sie niemand im besonderen zu, »wenn dieser Pöbel
von der Straße verschwunden ist!« Nicht mit einem
lauten Knall, sondern mit einem Rumpeln und einem dumpfen Schlag
fiel die Tür zu.
    »Sein
linkes«, sagte ich wieder zu dem Jungen gewandt. Er nickte.
Eine Träne kullerte über seine Wangen, die er wütend
mit seinem Ärmel wegwischte. »Und die Hand - in welcher
Hand hatte er das Messer? Denk nach!«
    Eco schien in eine
unergründbare Tiefe zu starren, die sich unter dem Blutfleck
zu unseren Füßen verbarg. Langsam, wie in Trance legte
er den Dolch von der rechten in die linke Hand. Seine Augen wurden
schmal. Seine linke Hand zuckte in winzigen, stechenden Bewegungen
durch die Luft. Er blinzelte, blickte dann nickend auf und sah mich
wieder direkt an.
    »Ein
Linkshänder! Gut, ein Linkshänder mit einem lahmen linken
Bein - damit sollte man ihn leicht genug identifizieren
können. Und sein Gesicht - hast du auch sein Gesicht
gesehen?«
    Er schauderte und
schien mit den Tränen zu kämpfen. Er nickte langsam und
schwer, ohne mir direkt in die Augen zu blicken.
    »Genau? So
genau, daß du ihn wiedererkennen würdest, wenn du ihn
siehst?«
    Er warf mir einen
erschrockenen Blick zu, während er sich rasch abwandte. Ich
packte seinen Arm und zog ihn wieder näher an den Blutfleck
heran. »Aber wie hättest du ihn so genau erkennen
sollen? Wo warst du, am Fenster in eurem Zimmer?«
    Er nickte. Ich sah
nach oben.
    »Selbst am
hellichten Tag könntest du von dort das Gesicht eines Menschen
nicht genau erkennen. Und in der besagten Nacht war es dunkel,
selbst wenn wir Vollmond hatten.«
    »Dummkopf!
Begreifst du denn nicht?« Die Stimme kam von oben, aus dem
Fenster über dem Laden. Der alte Mann hatte die Läden
geöffnet und beobachtete uns erneut. Er sprach in einem
heiseren Flüstern. »Nicht in jener Nacht hat er das
Gesicht des Mannes genau gesehen. Sie sind noch einmal
zurückgekommen, ein paar Tage später.«
    »Und woher
weißt du das?« fragte ich, den Hals reckend.
    »Sie... Sie sind
in meinen Laden gekommen.«
    »Und wie hast du
sie erkannt? Hast du das Verbrechen auch
beobachtet?«
    »Nein, ich
nicht, o nein.« Der Alte sah sich besorgt über die
Schulter um. »Aber in dieser Straße passiert nichts,
was meine Frau nicht sieht. Sie hat sie in jener Nacht beobachtet,
von diesem Fenster aus, wo ich jetzt stehe. Und sie hat sie
wiedererkannt, als sie ein paar Tage später bei Sonnenlicht
zurückkamen, dieselben drei - sie hat den Anführer an
seinem Humpeln erkannt und einen der beiden anderen an der
Größe - ein blonder Riese mit einem roten Gesicht. Der
dritte hatte, glaube ich, einen Bart, aber mehr kann ich euch auch
nicht sagen. Der Anführer hat überall in der Gegend
Fragen gestellt, genau wie du. Nur daß wir ihm nichts
erzählt haben, ich schwöre, kein Sterbenswörtchen,
auch nichts von Polia und daß sie behauptet hat, sie
hätte den ganzen Mord beobachtet. Die haben mir gar nicht
gefallen. Ich wenigstens hab ihnen nichts erzählt; nur -
jetzt, wo ich drüber nachdenke, glaube ich, mußte ich
den Laden verlassen, nur für einen Moment, während meine
Alte sie schließlich abgewimmelt hat - du glaubst doch

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