Das Lächeln des Cicero
die
Morgensonne auf unseren Gesichtern uns weckte. Die ganze schmutzige
Geschichte, in die Cicero mich hineingezogen hatte, zu vergessen
und ihr den Rücken zu kehren. Ich wurde von einer Welle so
intensiver Zärtlichkeit übermannt, daß Tränen
einen Schleier vor meine Augen zogen. Das Bild ihres Gesichts
verschwamm; das Licht der Kerzen verschmolz zu glitzerndem Nebel.
Man sagt, es sei eine Sache, seine Geschicke mit einer freien Frau
in der Ehe zu teilen, jedoch eine ganz andere, eine Frau als
Sklavin zu besitzen, und ich habe mich oft gefragt, welches von
beiden bitterer und welches süßer ist.
Der Hahn krähte
erneut, diesmal zusammen mit einem anderen von weiter her. In
diesem Augenblick traf ich meine Entscheidung.
Ich kniete mich neben
Bethesda und weckte sie so sanft wie möglich. Trotzdem
schreckte sie hoch und starrte mich einen Moment lang an, als
wäre ich ein Fremder. Ich spürte einen Stich des Zweifels
und wandte mich ab, weil ich wußte, daß mein
Zögern, wenn sie es bemerkte, ihre Angst nur verschlimmern
würde, bis sie gar nicht mehr zur Ruhe kam. Ich sagte ihr, sie
solle sich anziehen, ihr Haar kämmen und sich etwas Brot
nehmen, wenn sie hungrig wäre; sobald sie fertig sei,
würden wir einen kurzen Spaziergang machen.
Ich wandte mich rasch
ab und beschäftigte mich damit, sämtliche Kerzen zu
löschen. Es wurde dunkel im Haus. Nach einer Weile kam
Bethesda aus ihrem Zimmer und verkündete, sie sei fertig. In
ihrer Stimme klang noch Angst mit, jedoch kein Hauch von Vorwurf
oder Mißtrauen. Ich murmelte ein stilles Gebet, daß ich
mich richtig entschieden hatte, und fragte mich, zu wem ich
eigentlich betete.
Der Pfad den
Hügel hinab war von Schatten gesäumt, Schwarz in Schwarz.
Im Schein der Fackel warfen die Steine wirre Schatten, während
ihre Kanten tückisch und spitz aufragten. Es wäre fast
sicherer gewesen, den Weg im Dunkeln zurückzulegen. Bethesda
stolperte und klammerte sich an meinen Arm. Sie schielte
nervös von einer Seite zur anderen, vor Angst, daß
irgend etwas in der Dunkelheit lauern könnte, und achtete
nicht darauf, wohin sie ihre Füße setzte.
Auf halbem Weg den
Hügel hinab stießen wir auf eine Nebelbank, die Strudel
bildete wie ein Fluß in einer Schlucht, so dicht, daß
sie den Schein der Fackel zurückwarf und uns in einen
milchigweißen Kokon einhüllte. Wie die unheimliche
Hitze, die Rom gepackt hielt, hatte auch der Nebel etwas Irreales.
Er war kein bißchen erfrischend oder erleichternd, eine
feuchtwarme Masse, die von Abschnitten mit kühler Luft
durchsetzt war. Sie verschlang das Licht und verschluckte
Geräusche. Das Knirschen der losen Steine unter unseren
Füßen klang gedämpft und wie von ferne. Selbst die
Grillen hatten aufgehört zu zirpen, und für einen Moment
waren alle Hähne verstummt.
Neben mir schauderte
Bethesda, aber ich war im stillen ganz froh über den Nebel.
Wenn er sich bis zum Sonnenaufgang hielt, konnte ich die Stadt
vielleicht unbeobachtet verlassen, unbemerkt selbst von Augen, die
dazu engagiert waren, mich zu beobachten.
Der Stallmeister
schlief noch, als wir eintrafen, aber ein Sklave erklärte sich
bereit, ihn zu wecken. Zunächst war der Mann mürrisch;
ich war eine Stunde früher gekommen als erwartet, und der
Sklave hätte meine Abreise auch regeln können, ohne
seinen Herrn zu wecken. Aber als ich ihm mein Ansinnen
erläuterte und mein Angebot machte, war er plötzlich
hellwach und zuvorkommend.
Für die
nächsten beiden Tage würde er Bethesda in seinem Haus
aufnehmen. Ich warnte ihn, sie nicht zu hart arbeiten zu lassen, da
sie ihren eigenen Rhythmus habe und schwere Arbeit nicht gewohnt
sei. (Das war eine Lüge, aber ich hatte nicht die Absicht,
Bethesda für ihn bis an ihre Grenzen schuften zu lassen.) Wenn
er sie zum Beispiel etwas nähen ließe, würde sie
ihm mehr einbringen als ihre Unterbringung
kostete.
Für diese Zeit
wollte ich zwei kräftige Sklaven zur Bewachung meines Hauses.
Er beharrte jedoch darauf, lediglich einen entbehren zu
können. Ich war skeptisch, bis er den Jungen aus dem Bett
scheuchte. Einen häßlicheren und größeren
jungen Mann hatte ich noch nie gesehen. Ich hatte keine Ahnung, wo
er wohl herkommen mochte. Er hörte auf den seltsamen Namen
Scaldus. Sein Gesicht war wund und rot, von der heißen Sonne
der vergangenen Woche verbrannt; sein Haar stand in strähnigen
Büscheln von seinem Kopf ab und war von der gleichen
Beschaffenheit und Farbe wie die Strohhalme, die daran hingen.
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