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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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die
Pflastersteine fiel, blendete meine Augen. »Unmöglich.
Ich werde es heute nie zurück nach Rom schaffen.
«
    »Und das ist
auch gut so.« Das kam von Titus Megarus, der auf einmal mit
strengem Gesicht hinter seinem Sohn aufgetaucht war. »Ich hab
mir heute morgen mal die Stute angesehen, auf der du gestern von
der Stadt hergeritten bist. Ist es eine Angewohnheit von dir, ein
Pferd so anzutreiben, bis es zusammenbricht?«
    »Ich bin es
überhaupt nicht gewohnt, ein Pferd zu
reiten.«
    »Das
überrascht mich nicht. Kein richtiger Reiter hätte ein so
prachtvolles Tier dermaßen erschöpft. Du hattest doch
nicht etwa vor, mit ihr heute wieder
zurückzureiten?«
    »Doch,
eigentlich schon.«
    »Das kann ich
nicht zulassen.«
    »Wie soll ich
sonst von hier wegkommen?«
    »Du kannst dir
sehr gerne eins von meinen Pferden nehmen.«
    »Vespas Besitzer
wird nicht gerade begeistert sein.«
    »Daran habe ich
auch schon gedacht. Du hast mir doch gestern abend erzählt,
daß der Prozeß gegen Sextus Roscius für die Iden
angesetzt ist.«
    »Ja.«
    »Dann werde ich
einen Tag vorher in die Stadt kommen und Vespa mitbringen. Ich
werde sie selbst beim Stall an der Via Subura abgeben, und falls es
hilfreich ist, kann ich mich auch zum Haus dieses Advokaten Cicero
durchfragen und ihm erzählen, was ich weiß. Wenn er mich
bei dem Prozeß als Zeuge aufrufen will - nun, dann wäre
ich wohl bereit, mein Gesicht zu zeigen, selbst wenn Sulla
persönlich anwesend wäre. Und, bevor ich es vergesse,
nimm das hier.« Er zog eine Schriftrolle aus seiner
Tunika.
    »Was ist
das?«
    »Die Petition,
die der Gemeinderat von Ameria Sulla -oder vielmehr Chrysogonus -
vorgetragen hat, um gegen die Proskription von Sextus Roscius zu
protestieren, die Kopie des Gemeinderats. Das Original sollte
irgendwo im Forum aufbewahrt werden, aber solche Schriftstücke
neigen dazu zu verschwinden, wenn sie irgend jemand
bloßstellen könnten, oder nicht? Aber dies ist eine
beglaubigte Kopie; unterzeichnet von uns allen, sogar von Capito.
Wenn sie hier in meinem Haus herumliegt, nützt sie doch
nichts. Vielleicht kann Cicero sie gebrauchen.
    In der Zwischenzeit
leihe ich dir eins von meinen Pferden. Der Gaul wird es nicht mit
deinem weißen Prachttier aufnehmen können, aber du wirst
auch nur halb so schnell reiten müssen. Ein Vetter von mir hat
auf dem halben Weg nach Rom einen Bauernhof. Bei ihm kannst du
übernachten und dann morgen bis zur Stadt weiterreiten. Er
schuldet mir den einen oder anderen Gefallen, also hab keine Angst,
dich an seinem Tisch satt zu essen. Wenn du es gar nicht erwarten
kannst, nach Rom zu kommen, mußt du ihn überreden, eines
seiner Pferde gegen meins einzutauschen, und dann wie ein
Verrückter bis in die Stadt weiterreiten.«
    Ich zog eine Braue
hoch und willigte dann mit einem Kopfnicken ein. Der strenge Blick
wurde freundlicher. Titus war ganz der römische Vater, der es
gewohnt war, Vorträge zu halten und seinen Willen gegen jeden
im Haus durchzusetzen. Nach Erledigung seiner Pflichten
gegenüber Vespa lächelte er jetzt und fuhr seinem Sohn
durch das Haar. »Und nun kannst du dir am Brunnen Gesicht und
Hände waschen und mit uns zusammen essen. Auch wenn man in der
Stadt gerade erst aufsteht, einige von uns sind schon seit dem
ersten Hahnenschrei auf den Beinen und haben sich hungrig
gearbeitet.«
    *
    Die gesamte Familie
hatte sich im Schatten eines riesigen Feigenbaums versammelt.
Außer Lucius hatte Titus Megarus noch einen weiteren Sohn im
Säuglingsalter und drei Töchter, die alle denselben
Familiennamen trugen sowie einen weiteren Namen, der nach
traditioneller römischer Sitte die Geburtenfolge bezeichnete:
Megara Majora, Megara Minora, Megara Tertia. Obwohl ich nicht genau
unterscheiden konnte, wer auf dem Hof lebte und wer nur zu Besuch
war, nahmen an jenem Tag auch noch zwei Schwäger am Essen
teil, einer von ihnen verheiratet, mit kleinen Kindern, zwei
Großmütter und ein Großvater. Die Kinder rannten
umher, die Frauen saßen auf der Wiese, die Männer auf
Stühlen, und mittendrin liefen zwei Sklavinnen auf und ab und
sorgten dafür, daß keiner von uns hungrig
blieb.
    Titus’ Frau
lehnte gegen den Baumstamm und versorgte das Baby; ihre
älteste Tochter saß daneben und gurrte ein Schlaflied,
das der vor sich hin plätschernden Melodie des in der
Nähe vorbeifließenden Baches nachempfunden schien. Im
Haus von Titus Megarus hatte stets jemand ein Lied auf den
Lippen.
    Titus stellte mich
seinem Vater und seinen

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