Das Lächeln des Killers
spitzte ihre himbeerroten Lippen. »Von dort aus hat man eine gute Aussicht auf die Straße.«
Und auf Bryna Bankheads Haus, fügte Eve im Geist hinzu, zog ihr Handy aus der Tasche und rief bei Feeney an.
»Ich bin in einem Internet-Café gegenüber dem Gebäude, in dem Bankheads Wohnung liegt. Ich brauche hier jemanden, der ein Phantombild unseres Typen macht, und einen Durchsuchungsbefehl für einen der Computer, von dem aus er angeblich ins Netz gegangen ist.«
Eve saß an Tisch eins und hob vorsichtig den Becher mit dem echten Sojaprodukt mit Koffeinzusatz an ihren Mund. Manchmal durfte man halt nicht allzu wählerisch sein.
Sie brauchte nur den Kopf ein wenig vorzuschieben, damit sie den zwölften Stock des Hauses gegenüber sah. Die Fenster von Brynas hübscher, kleiner Wohnung. Den kleinen Balkon.
»Er ist wirklich gründlich«, sagte sie zu Feeney. »Er ist ein Datenfreak und braucht regelmäßig neue Infos. Sie hat ihm in ihren E-Mails beschrieben, was sie für gewöhnlich an ihren freien Tagen unternommen hat. Dass sie gern gleich morgens die Fenster aufgemacht hat, um hinauszusehen.«
Ich liebe es, gleich morgens den Duft New Yorks in mich aufnehmen zu können, hatte sie geschrieben. Ich weiß, was die Leute über Stadtluft sagen, aber ich empfinde sie als reichhaltig, aufregend und wunderbar romantisch. All die Düfte, Geschmacksnoten und Farben. Sie gehören alle mir, und an meinen freien Tagen tauche ich vollständig darin ein.
»Wahrscheinlich hat er beobachtet, wie sie auf den Balkon gegangen ist. Vielleicht hatte sie eine Tasse Kaffee in der Hand und hat sich damit direkt vor dem Geländer aufgebaut. Als ordentlicher Mensch hat sie anschließend die Wohnung aufgeräumt, sich angezogen, vielleicht einen Einkaufsbummel unternommen oder eine Verabredung mit einer Freundin oder einem Freund gehabt. Wahrscheinlich hat er sie verfolgt, um sicherzugehen, dass das, was sie ihm schrieb, auch der Wirklichkeit entsprach. Bestimmt wollte er sichergehen, dass sie alleine lebte, dass es keinen Freund gab, dass nichts seinem Vorhaben im Weg stand. Vor allem wollte er wohl sehen, wie sie sich benahm, wie sie aussah, wenn sie nicht wusste, dass er in der Nähe war. Schließlich musste sie gut genug sein für den von ihm geplanten ultimativen Fick.«
Sie schaute zu Feeney, der seine magischen Finger über das Keyboard des Computers fliegen ließ. »Außerdem ist er ein Gewohnheitsmensch«, fügte sie hinzu. »Und hinterlässt auf diese Weise sicher irgendeine Spur. Kannst du ihn in dieser Kiste finden?«
»Wenn er sie benutzt hat, finden wir auch raus, wann er mit wem Verbindung aufgenommen hat. Natürlich wird es dauern, bis wir all die anderen Daten rausgefiltert haben, damit nur noch sein Zeug übrig bleibt. Aber was er eingegeben hat, kriegen wir auch wieder raus.«
Nickend stieß sie sich vom Tisch ab und ging zu dem Bildtechniker, der mit den beiden Droiden an der Theke saß. So lästig ihr Droiden für gewöhnlich waren, hatten sie den Vorteil, dass auf ihre Augen ebenso Verlass war wie auf eine gute Kamera.
Sie konnte bereits die ersten Züge ihres Mannes auf dem Bildschirm sehen.
Ein etwas weiches, nichts sagendes Gesicht. Eine hohe Stirn mit dichten Brauen und schütter über die Ohren herabhängendem Haar. Die Art von Gesicht, die in einer Menge unterging, die derart wenig auffiel, dass sie kaum mehr als ein verschwommener Fleck im Gedächtnis anderer Menschen war.
Abgesehen von den Augen. Die waren durchdringend und kalt.
Egal, wie dieser Kerl sein Gesicht verändern würde, Eve würde ihn erkennen, sobald sie ihm in die Augen sah.
In Sichtweite des Hauses von Grace Lutz gab es kein Internet-Café. Keine Teestube, kein Restaurant. Nur ein kleines Delikatessengeschäft mit einem langen, schmalen Tresen, in dem sich allerdings niemand daran erinnern konnte, dass während einiger Wochen jemand Fremdes regelmäßig dort erschienen war.
Sie hatte nach Peabody geschickt, und gerade als sie einen Schokoriegel kaufte, trat ihre Assistentin ein.
»Das ist ein ziemlich kindliches Mittagessen«, stellte Peabody mit neiderfüllter Stimme fest. »Ist der Gemüseauflauf frisch?«
»Was haben Sie für mich?«
»Ein riesengroßes, abgrundtiefes Loch dort, wo früher mal mein Magen war«, erklärte ihre Assistentin und bestellte sich eine Portion des Auflaufs. »Ich probiere gerade diese neue Diät, bei der man zum Frühstück nur das Weiß eines hart gekochten Eis isst. Dann...«
»Peabody.«
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