Das Lächeln des Leguans
brachte er nicht mehr als das Fiepen einer asthmatischen Maus hervor. Während er die Überreste seiner
Autorität einsammelte, richtete er einen rachsüchtigen Zeigefinger auf uns. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und wankte
mit seinen verstörten Werwölfen im Schlepptau von dannen.
Wir hatten die Zyklopen besiegt. Ich war zu perplex, um mich zu freuen, und Luc war genauso wenig nach Triumph zumute. Sobald
sich die kleinlauten Angeber verzogen hatten, steckte er sein Messer in den Stiefel, warf einen Blick auf die Flaschen und
begutachtete den Schaden. Als er den Zustand seines gläsernen Schatzesgeprüft hatte, wandte er sich mir zu. Ich hatte eigentlich mit einem Wort des Dankes oder etwas Ähnlichem, zumindest mit einem
Zeichen geheimen Einverständnisses gerechnet, stattdessen wurde mir lediglich ein schräger, reptilienartiger Blick gewährt.
Als würde er mir vorwerfen, meine Nase in seine Angelegenheiten gesteckt und ihn dadurch gezwungen zu haben, das ungezähmte
Geheimnis seines innersten Wesens preiszugeben. Er nahm seine Beutel, betrat den Laden und ließ mich wie den belanglosen letzten
Pin einer öden Bowlingpartie einfach stehen. Da packte mich die Wut. Ich war fassungslos. Auf dem Heimweg schimpfte ich auf
die maßlose Dreistigkeit des Mongolen, vor allem aber auf mich selbst und meine so törichte humanitäre Anwandlung.
Wie konnte er es wagen, mich weiterhin zu ignorieren? Hatte ich mich nicht weit genug für ihn aus dem Fenster gelehnt? War
es in seinen Augen denn nichts, den Zorn der Zyklopen auf sich zu ziehen?
*
Die Nacht war vor lauter blutigen Vorahnungen glutrot. Immer wieder malte ich mir beunruhigt aus, in welch beängstigender
Weise Canuel wohl Vergeltung üben würde. Ich sah vor mir, wie er mich ins Visier nahm. Ich stellte mir erschreckende chirurgische
Eingriffe ohne Betäubung vor und verfluchte Luc wegen seiner niederträchtigen Undankbarkeit. Die Morgendämmerung ließ seine
vermeintliche Gleichgültigkeit jedoch in einem anderenLicht erscheinen. Als ich auf die Veranda trat, entdeckte ich auf der ersten Stufe einen Gegenstand, den er dort offenbar
eigens für mich deponiert hatte: eine Muschel, in die eine jener Eidechsen eingeritzt war, die er überall hinzeichnete. Sie
war schön und in den Augen ihres Schöpfers gewiss kostbar, und als ich sie in die ersten Lichtstrahlen des anbrechenden Tages
hielt, um sie näher zu betrachten, begriff ich, dass es sich um ein Geschenk, um ein Zeichen seiner Dankbarkeit handelte.
6
Luc ist nicht gerade gesprächig. Er gehört zu jener Gattung schweigsamer Zebus, die das Zeug zu Mönchen oder Rodeochampions
haben. Er ist so etwas wie ein Gummistiefelpoet, allerdings gewöhnt man sich mit der Zeit an seine verstockte Art und seine
Einzelhaftvisage und findet ihn am Ende sogar amüsant. Wir haben mit dem »Krabbenschwur« unseren Pakt besiegelt. Es ist in
erster Linie ein Bündnis gegen die Zyklopen, denn die abscheulichen Einäugigen treiben nach wie vor ihr Unwesen. Hin und wieder
begegnen wir ihnen auf ihren Trollpfaden, ohne dass sie bislang zum Angriff übergegangen sind. Ob Canuel wohl Angst davor
hat, sicherneut mit dem Zorro der Strände anzulegen? Hat er uns zwei allzu stachelige Igel womöglich von seinem Speiseplan gestrichen?
Es kann aber auch eine ganz bewusste Strategie sein, damit wir uns in Sicherheit wiegen: Vielleicht wartet er ja nur auf eine
Gelegenheit, uns jeden in einen Sack zu stecken. Da wir keine Gedanken lesen können, sehen wir uns lieber als Zutaten eines
unbekannten Rezepts und gehen keinerlei Risiko ein. Wir sind nur noch zu zweit unterwegs und verschanzen uns hinter einer
kriegerischen Fassade. Zur Abschreckung haben wir ein ganzes Arsenal von Schleudern und Keulen aus Dachlatten angelegt. Zu
Lucs zuverlässigem Messer ist noch die Baby-Machete hinzugekommen, die mir mein Onkel Hugues zu Weihnachten aus Afrika geschickt
hat. In diesem Monat Juni mitten im Kalten Krieg bemühen wir uns, möglichst wach und gefährlich, ja ungenießbar zu wirken.
Beim Krabbenschwur handelt es sich um eine ganze Reihe unausgesprochener Regeln, eine Form des Zusammenseins, das wir im Laufe
der Zeit immer weiterentwickeln. Unsere Allianz beschränkt sich nicht etwa auf ein bloßes Verteidigungsbündnis; wir suchen
inzwischen gemeinsam nach Flaschen. Und dafür ist der Juni der denkbar günstigste Monat: Dann zappelt der Zwergdorsch die
ganze Nacht lang wie
Weitere Kostenlose Bücher