Das Land am Feuerfluss - Roman
war ein Zuchtmeister, der seine untaugliche kleine Frau herumkommandierte und seinen Gemeindemitgliedern jeden Sonntag Hölle und Verdammnis predigte. Die Zwillinge, Peter und Mark, waren vierzehn und rebellierten gegen ihre Erziehung. Sie drohten von der Schule in Sydney zu fliegen. Früher oder später würde ihr Unfug ernstere Formen annehmen. Gwyneth beschloss, Bens Vater draußen auf der Wilga-Farm zu fragen, ob dort nicht Jobs zu haben seien. Eine gute Dosis harter Arbeit brachte niemanden um, könnte die Zwillinge jedoch vielleicht von dem zerstörerischen Pfad abbringen, dem sie offenbar folgen wollten.
Gwyneth schaukelte vor und zurück, während die Blitze über den Hügeln zuckten und der Donner immer näher kam. Die Spannung in der Luft ließ Gwyneths Kopfhaut prickeln und die Haare auf den Armen zu Berge stehen, doch sie schärfte auch ihre Vorahnung. Sie mochte ein gutes Gewitter, aber dieses drohte ein Ungeheuer zu werden.
Gwyneth lehnte sich ins Polster zurück und beobachtete, wie in den Häusern nacheinander das Licht ausging. Menschen hatten sie immer fasziniert, und es gab nicht viel, was sie über die Einwohner von Morgan’s Reach nicht wusste, denn mit zunehmendem Alter war sie beinahe unsichtbar geworden – ein Teil der Landschaft und kaum interessant für die Jüngeren. Sie lächelte schief. Niemand vermutete, dass sie ein scharfes Gehör und gute Augen besaß. Während die Leute ihrem Alltag nachgingen, ohne von Gwyneths Gegenwart Notiz zu nehmen, sammelte diese deren Geheimnisse, und manchmal gelang es ihr sogar, deren Probleme so diskret zu lösen, dass die Betroffenen es überhaupt nicht bemerkten.
Gwyneth fächerte sich mit einer alten Zeitschrift Luft zu, während sie über Sals kurzen Besuch nachdachte, bevor diese am Nachmittag zu ihrem Versteck im Busch aufgebrochen war. Gwyneth war wahrscheinlich die Einzige in Morgan’s Reach, die wusste, wohin Sal gefahren war, denn Berts Frau hatte sich ihr stets anvertraut.
Arme Sal! Sie hatte nicht viel Freude im Leben. Gwyneth glaubte zu verstehen, warum die jüngere Frau zögerte, ihren Mann zu verlassen: Im Laufe der Jahre hatte Bert das Selbstwertgefühl aus ihr herausgeprügelt, und Sal war bestimmt zu dem Schluss gekommen, es sei besser, bei dem Teufel zu bleiben, den sie kannte, als neue zu riskieren. Max hatte genügend Dämonen zu bezwingen und brauchte nicht zusätzlich die Last der Erkenntnis, was Sal wirklich für ihn empfand.
Gwyneth seufzte. Das Leben war im günstigsten Fall kompliziert. Auch sie hatte ein paar Sorgen, aber ihre Familie war bemüht, mit allem zurechtzukommen. Hugh war freilich nicht mehr der Mann, der er früher einmal gewesen war; sie hatte den dringenden Verdacht, dass er ein gesundheitliches Problem verbarg. Jane war darauf erpicht, den Ruhestand an der Küste zu verbringen, und ihr Sohn Terence war absolut nicht zu gebrauchen.
Gwyneth verstand, wie sehr Jane sich um Hugh sorgte, doch das Hospital war zu bedenken – ebenso wie die Zukunft von Becky und Danny. Sie hätte nichts dagegen, wenn die Familie aus Morgan’s Reach wegzöge. Sie würde ihr zwar mehr fehlen als der Rest der Brut, aber Gwyneth hatte nicht die Absicht, woanders als in ihrem eigenen Haus zu sterben. Aber die ärztliche Versorgung war gefährdet, sollte kein Ersatz für Hugh zu finden sein – und das war vermutlich nur einer der Gründe, aus denen Hugh zögerte, das Handtuch zu werfen.
Ein Donnerkrachen direkt über ihr ließ Gwyneth zusammenfahren. Beim Widerhall bebten die Dielen unter ihren Füßen, und die Hauswände zittern. Das Wellblechdach vibrierte, und die Vögel, die sich auf den benachbarten Bäumen und im Schilf rings um das kostbare Wasserloch zur Nachtruhe niedergelassen hatten, erhoben sich mit ähnlich donnerndem Flügelschlag und alarmierten Schreien. Wally vergrub sich noch tiefer in den alten Decken im Korb, und Coco kreischte wütend aus dem abgedeckten Käfig auf der hinteren Veranda.
Ein gezackter Blitz durchbohrte den schwarzen Himmel und blendete Gwyneth, als ein weiterer Donnerschlag die Erde erschütterte und Fensterläden und Fliegengitter klappern ließ. Sie schauderte, denn nun vernahm sie das Quietschen der rostigen Wetterfahne auf der Wasserpumpe nebenan. Aber der Wind, der sie drehte, war nicht kühl und regenträchtig – er war heiß, trocken und tödlich.
»Ich habe dir doch gesagt, es ist töricht, bei solchem Wetter den langen Weg hier rauszufahren«, fauchte Sandra Morgan, während sie
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