Das Land am Feuerfluss - Roman
Baumwollhose, ein khakifarbenes Hemd und abgewetzte hellbraune Stiefel, gerade so, als sei er aus den Farben und Geweben seiner Umgebung gemacht. Er stützte sich schwer auf einen knorrigen Gehstock, den Blick verärgert auf Sals geschwollenes Auge und die verbundene Wange gerichtet. Aber der Blick wurde warm, als er ihr in die Augen schaute, und sein Mund verzog sich zu einem liebevollen Lächeln.
»Hallo, Max.« Sals Stimme bebte vor Freude, ihn zu sehen.
»Willkommen, Sal.« Er breitete die Arme aus.
»Es tut gut, wieder hier zu sein«, seufzte sie, überließ sich seiner vertrauten Umarmung und drückte die unverletzte Wange an seine Brust. Sein Herzschlag tröstete sie und verlieh ihr neue Kraft. Sie hatte sich schon bei ihrer ersten Begegnung in ihn verliebt, hatte es ihm aber nie gestanden, denn Max war ein Einzelgänger, der vor starken emotionalen Verwicklungen nur zurückschrecken würde.
Er hielt sie in den Armen und legte das Kinn auf ihren Kopf. »Dann bleib ein bisschen und leiste mir Gesellschaft!«, raunte er in ihr Haar. »Du siehst aus, als bräuchtest du eine Zuflucht. Und du hast mir gefehlt.«
Sal fand Halt in diesen Worten und in seiner Umarmung, denn trotz eigener Dämonen schenkte Max ihr Schutz und Trost. Er hatte sie ermutigt, zu sich selbst zu finden unter der harten Schale, hinter der sie sich verbarg, und Talente zu erproben, die sie in der Ehe mit Bert hatte verkümmern lassen.
Während sie auf der friedlichen Lichtung standen und das Gewitter ringsum gewaltiger wurde, keimte in Sal die Hoffnung auf, dass sie eines nicht allzu fernen Tages den Mut finden würde, Bert zu verlassen und Max ihre wahren Gefühle zu offenbaren.
Gwyneth war in einem Alter, in dem man nicht mehr viel Schlaf braucht. Statt sich unruhig im Bett hin und her zu wälzen, zog sie es vor, im Schaukelstuhl auf der vorderen Veranda zu dösen, Wally in einem alten Hundekorb zu den Füßen. Während sie dort saß und alles im Auge behielt, gab es immer etwas zu beobachten oder etwas zum Grübeln, denn das Leben in Morgan’s Reach mochte zwar gemächlich sein, langweilig war es jedoch nie.
Kurz zuvor hatte es in der Kneipe eine Schlägerei gegeben. Jake hatte die Betrunkenen auseinandergezerrt und in sein provisorisches Gefängnis gesteckt, damit sie ihren Rausch ausschlafen und sich beruhigen konnten.
Louise und Enid Harper hatten das Krankenhaus verlassen, nachdem sie sich um die Abendmahlzeiten gekümmert hatten, und waren in ihr Holzhäuschen zurückgekehrt. Kaum waren sie eingetroffen, hielten sie ihrem Nachbar Charley Sawyer schon über den Zaun hinweg eine Standpauke wegen seiner liebestollen Promenadenmischung, die es auf dem Rasen mit ihrer kläffenden Flauschkugel getrieben hatte.
Der Streit mit dem Schmied schwelte schon eine ganze Weile. Und dieser Vorfall war besonders amüsant gewesen, weil Charley sich vor den beiden alten Xanthippen aufgebaut hatte und sie hatte aussprechen lassen, bevor er ihnen mit dröhnender Stimme seinen Standpunkt darlegte. Sie hatten ihren albernen Hund hochgehoben, sich in ihr Häuschen zurückgezogen und die Tür zugeknallt. Charley hatte seinen räudigen Köter zu sich gepfiffen und war in die Kneipe gestampft.
Emily Harris fand offenbar übertrieben viel zu erledigen, was sie an Jakes Polizeiwache vorbeiführte. Dem dümmlichen Lächeln auf Jakes Gesicht nach zu urteilen, war er sehr zufrieden mit dieser Regelung. Gwyneth hoffte, dass es etwas werden würde mit den beiden. Jake bräuchte jemanden wie Emily, die ihn an die Kandare nehmen und ihm deutlich machen würde, dass das Leben mehr zu bieten hatte, als den lieben langen Tag in einer Hängematte zu verbringen.
Annie und Sean O’Halloran hatten eine ihrer üblichen wütenden Auseinandersetzungen auf dem Bürgersteig vor ihrem Kramladen gehabt, und auch Sean war in die Kneipe gestapft – würde aber ohne Zweifel von Annie gescholten werden, wenn er nach Hause torkelte. Annies kleine, rundliche, mütterliche Erscheinung verbarg einen starken Charakter, und Sean konnte noch so viel brüllen, seine Frau war ihm stets überlegen.
Doch die Aufführung hatte damit noch kein Ende gehabt, denn die Zwillinge von Reverend Baker hatten die Pferde von der Stange vor der Kneipe losgebunden und in den Busch gescheucht. Dieser Streich hatte ihnen eine deftige Ohrfeige von einem der wütenden Viehtreiber eingebracht und vermutlich Schläge von ihrem strengen Vater, der sie nach Hause hatte marschieren lassen. Algernon Baker
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