Das Land am Feuerfluss - Roman
traurig. »Und wenn er hier wäre, würdest du Ben nicht küssen, stimmt’s?«
»Wenn Daddy hier wäre, dann nicht. Und ich werde ihn immer lieben, was auch geschehen mag. Aber er ist seit fast drei Jahren tot, Danny. Ich weiß sicher, dass er nicht zurückkommen wird, obwohl er mir fehlt und ich mir von ganzem Herzen wünsche, es wäre anders.«
Ihr Sohn rollte sich auf dem Bett zusammen, zog die schorfigen Knie an die Brust, die Haare fielen ihm ins tränenüberströmte Gesicht. »Aber es könnte sein«, schluchzte er. »Vielleicht hat er sich irgendwo verlaufen und versucht, nach Hause zu kommen.«
»Ach, Schatz!«, flüsterte sie unter Tränen, schmiegte sich an ihn und hielt ihn fest. »Du brichst mir das Herz. Bitte hör auf, wegzulaufen und ihn zu suchen! Er ist nicht da draußen – und wird es niemals sein.«
Danny antwortete nicht, wandte sich von ihr ab und vergrub das Gesicht im Kopfkissen.
Rebecca lag innerlich aufgewühlt neben ihm. Ihr kleiner Junge war so verletzt; doch sie konnte nichts tun, um seinen Schmerz zu lindern. Dennoch zeigten ihr seine Tränen, dass er allmählich die Wahrheit erkannte und ihm die Hoffnung entglitt, an die er sich so vehement geklammert hatte. Er fürchtete sich davor, diese Hoffnung nach so langer Zeit aufzugeben.
»Daddy würde nicht wollen, dass du so traurig bist, Danny. Er würde sich wünschen, dass wir lernen, ohne ihn zu leben; dass wir in die Zukunft blicken und das Beste daraus machen – und nicht immer nur zurückschauen und uns wünschen, alles wäre anders.«
Rebecca betrachtete die verstreuten Fotos und die Briefe, die ihre allzu kurze Zeit mit Adam dokumentierten. Nach der Heirat hatten sie in einem Vorort von Sydney gewohnt. Adam hatte sich einer kleinen Tierarztpraxis angeschlossen, während sie selbst ihre Ausbildung zur Krankenschwester beendet hatte. Das Leben war vollkommen, als Danny geboren wurde. Aber sie vermisste ihre Familie und wollte, dass Danny seine Verwandten besser kennenlernte. Als Sohn eines ortsansässigen Viehzüchters hatte Adam immer beabsichtigt, ins Outback zurückzukehren, wo seine Fähigkeiten dringend benötigt wurden. Daher planten sie, nach Morgan’s Reach umzuziehen, um beide näher bei ihren Familien zu sein.
Dann jedoch veränderte der Krieg in Europa alles.
Danny war fünf, als Adam sich 1941 freiwillig zur Armee meldete, und der Inhalt dieser Schachtel diente dazu, die Erinnerung ihres kleinen Sohns an den Vater lebendig zu halten, während sie auf seine Heimkehr warteten. Nun aber erkannte Rebecca, dass die Fotos und Briefe, welche die enge Bindung aufrechterhalten hatten, die Danny mit seinem geliebten Vater geschmiedet hatte, seine Realität geworden waren. Kein Wunder, dass es ihm schwerfiel, sich einer anderen, trostlosen Wahrheit zu stellen.
Rebecca lauschte dem Donnergrollen in der Ferne, während Danny schließlich in den Schlaf der Erschöpfung sank. Nach Adams Tod hatte sie Trost gefunden in der Rückkehr zur Familie, und obwohl sie sich danach sehnte, mit Ben Freeman neu anzufangen, gab es anscheinend kein Entkommen vor der Vergangenheit – oder vor dem, was hätte sein können.
Tränen verschleierten Rebecca die Sicht, als sie die Decke über Danny zog, die verstreuten Andenken einsammelte und die Schachtel schloss. Es war an der Zeit, sie fortzuräumen. Adam würde nie in Vergessenheit geraten. Die Erinnerung an ihn würde sie stützen, wenn sie in die Zukunft taumelten – eine hellere Zukunft, hoffte Rebecca.
3
S al Davenport hatte Morgan’s Reach vor wenigen Stunden verlassen. Während der Pick-up klappernd über die holprige Piste fuhr, wurde ihr allmählich leichter ums Herz. Ihr Gesicht schmerzte, und ihr linkes Auge war beinahe zugeschwollen, doch das Gefühl der Freiheit und die Gewissheit, dass sie bald an ihrem besonderen Platz sein würde, trösteten sie.
Vorsichtig mied sie Fahrrillen, Schlaglöcher und Baumwurzeln, während sie sich immer weiter von Bert entfernte, vom Pub und der Klaustrophobie, die das Leben in einer kleinen Stadt mit sich brachte, in der jeder über jeden Bescheid wusste. Sie hatte es nicht mehr weit. Sofern das Gewitter nicht ausbrach, würde sie ihr Ziel vor Sonnenaufgang erreichen.
Ein besonders lauter Knall erschreckte sie, und der Pick-up geriet bedenklich ins Schlingern. Sie umklammerte das Lenkrad fester, um den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen, und starrte konzentriert durch die Windschutzscheibe. Die flackernden Scheinwerfer
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