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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Fremdlingen, von jämmerlichen feigen Später Toten. Und während ich fern vom Lager war und jagte, gab es einen Überfall, und als ich ins Lager zurückkehrte, fand ich alle tot vor, außer dem Zottelhund Ajax, und von Enkidu keine Spur. Räuber müssen ihn fortgeschleppt haben, oder Dämonen, die mich quälen wollen, indem sie uns schon wieder einmal voneinander trennen. Aber ich werde ihn finden, und sollte ich suchen müssen, bis die Götter alt und grau werden!«
    »In der Nachwelt kann man niemanden auffinden«, sagte der Behaarte, »höchstens zufällig, oder wenn es gerade die Laune der dunklen Gottheiten ist, die hier herrschen. Das mußt du doch eigentlich wissen.«
    »Ich will ihn wiederfinden.«
    »Und wenn er tot ist?«
    »Dann wird er zurückkehren. Wie das hier alle Toten früher oder später tun. Ich sage dir, ich werde ihn wiederfinden!«
    »Komm jetzt«, sagte der Haarige Mann. »Komm mit mir, und wir gehen ein bißchen, bis dein Kopf wieder klar ist.«
    »Moment!« Gilgamesch schob die Hand des Mannes beiseite. »Meinst du, diese gelehrten Doktoren da hätten vielleicht ein Mittel, das mir helfen könnte, ihn aufzuspüren?«
    »Sie werden dir gewiß sagen, daß sie das haben. Aber in der Nachwelt, Gilgamesch, findet man niemanden mehr.«
    »Das wollen wir doch mal sehen.«
    Und er ging zu den aufgestellten hölzernen Tischen und Bänken zurück.
    »Lieber Herr, ich bin Aethelbald«, sagte einer der Zaubertränkleinbrauer drängend.
    »Ich bin Eadfrith«, nölte der neben ihm und winkte.
    »Ich bin Wulfgeat, und ich habe hier einen Trank, der gegen Schwindel und Hirnfieber wirkt, und gut beim Gallenfluß und der Gelben Krankheit, bei Stimmen im Ohr und Hörschwäche…«
    Ungeduldig winkte Gilgamesch sie beiseite und brachte sie zum Schweigen. »Wer seid ihr Leute denn überhaupt?«
    »Wir sind alles Angeln hier«, sagte Wulfgeat, »abgesehen von diesem Saxonen da neben mir, und Meister der Kräuterkunde sind wir und der Kunst, Blutegel zu setzen, und auch der Sternenkunde. Unser Wirken ist gediegen! Unser Können grenzenlos!«
    »Kräuterkunde? Sternkunde?« fragte Gilgamesch.
    »So ist es, und es mag sein, daß wir auch einen Zauber haben für dich! Was fehlt dir, lieber Herr? Was brauchst du?«
    »Ein Mann ist es, nach dem ich suche«, sagte Gilgamesch nach einer Pause. »Ein Freund, den ich verloren habe.«
    »Ein verlorener Freund? Ein verlorener Freund?« Die Zauberhöker begannen zu murmeln und sich zu beraten. »Vipernbouglossum«, schlug einer vor. »Die Asche toter Bienen in Leinöl?« meinte ein anderer. »Krummwurz und Thung, Balgwurz und Erlwurz in starkem Met oder ungetrübtem Ale.« Doch der dritte Zauberer schüttelte heftig den Kopf und sprach: »Es muß durch Träume geschehen. Die Zeichen müssen unbedingt aufgerufen werden. Man muß eine Quelle aufbrechen sehen neben seinem Haus, oder eine Glucke mit ihren Küken, oder träumen, daß man ein neu Paar Schuh anzieht – wahrlich, so lauten die Zeichen, und wir müssen ihm den Trank geben, der ihm diese nützlichen Visionen bringt, und in der folgenden Nacht…«
    »Was ist denn hier los?« mischte sich eine bekannte säuselnde Stimme ein. »Was treibt ihr denn da?«
    Herodes drängte sich heftig durch das Gewühl und erschien plötzlich an Gilgameschs Seite. Der Behaarte Mann schnitt eine Grimasse und brummte etwas Unverständliches. Die Zauberhöker blickten bestürzt drein, kehrten ihnen den Rücken zu und riefen ihre Anpreisungen in die andere Richtung den dort Versammelten entgegen.
    »Wo hast du denn gesteckt?« wollte Herodes wissen. »Simon hat überall Sucher nach dir ausgeschickt.«
    »Ich dachte, ich schaue mir ein bißchen die Stadt an.«
    »Oh, Gewalt! Und dann bist du hier gelandet? Aha. Aha. Ich glaube, ich weiß, warum. Du willst einen Zauber kaufen, der dich nach Uruk führt, ja? Das also. Trotz all dem, was ich dir gestern abend gesagt habe?«
    Aus der Ferne hörte man eine gewaltige Stimme röhren: »Das Buch der Fünfzig Namen! Wer kauft das Buch der Fünfzig Namen?«
    »Der Behaarte hat mich hierher geführt«, sagte Gilgamesch. »Ich bin einfach von einer Straße in die andere gewandert, und dann passierte mir etwas Merkwürdiges, vielleicht war es ein Anfall – in meinen Erdentagen neigte ich dazu, mußt du wissen, aber ich dachte, ich wäre das hier in der Nachwelt jetzt los – jedenfalls wurde mir schwindlig – ich sah Gesichter – ich sah uralte Straßen…« Verärgert schüttelte er den Kopf. »Nein,

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