Das Land der MacKenzies
Unterstützung braucht."
„Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Jeder mit Sommersprossen auf den Händen wird schief angeguckt."
Mary wollte nicht darüber reden. Als sie an diese Hand dachte und sie wieder vor sich sah, wurde ihr übel. Sie schluckte angestrengt. Mit gerunzelter Stirn machte Joe einen Schritt vor, aber Mary hob die Hand, um ihn aufzuhalten. Er sah aus, als wolle er Sharon aus dem Klassenzimmer werfen. Im selben Moment kamen die ersten Schüler an und entspannten so die Situation.
Sie scharten sich um Joe und stellten ihm aufgeregt Fragen nach der Akademie und seinen Plänen.
Sharon ging in ihre Klasse, und Mary betrachtete Joe mit seinen ehemaligen Klassenkameraden. Er wirkte so viel reifer als die Gleichaltrigen. Er war erst sechzehn, aber er war längst kein Kind mehr. Mary sah auch, dass Pam Hearst zwar nicht viel sagte, aber Joe nicht aus den Augen ließ. In Pams Blick lag eine schmerzvolle Sehnsucht, und wenn Joe sie anschaute, wurde sie jedes Mal unruhig und verlegen.
Schließlich sah Joe auf die Uhr und wandte sich wieder Mary zu. „Dad wird hier sein, um Sie nach Hause zu eskortieren. Gehen Sie nirgendwo allein hin.“
Mary wollte schon protestieren, aber dann dachte sie an den Mann, der irgendwo da draußen in der Stadt lauerte, getrieben von Hass. Sie war nicht die Einzige, die in Gefahr war. Sie griff nach Joes Arm. „Du und Wolf, seid beide vorsichtig. Ihr könntet die nächsten Ziele sein.“
Joe runzelte die Stirn, so als sei ihm das noch nie in den Sinn gekommen. Da draußen trieb sich ein Vergewaltiger herum, also waren Männer nicht in Gefahr. Mary hätte auch nie an so etwas gedacht, wenn sie nicht überzeugt wäre, dass es sich bei den Überfällen um eine Strafaktion gegen die Mackenzies handelte. Irgendwann würde dieser Irre möglicherweise zu einem Gewehr greifen und die Selbstjustiz üben, zu der er sich in seinem verrückten Hirn berechtigt fühlte.
Zum Lunch erschien Clay wie angekündigt mit dem Bericht zum Tathergang, den Mary las und unterschrieb. Sich bewusst, dass die Schüler alle neugierig die Ohren gespitzt hatten, begleitete Mary Clay hinaus zu seinem Wagen. „Ich mache mir Sorgen“, sagte sie.
Clay stützte sich mit dem Arm auf die offene Autotür. „Das ist nur verständlich.“
„Nicht um mich selbst. Ich glaube, Wolf und Joe sind die wirklichen Ziele, auf die der Täter es abgesehen hat.“ Er musterte sie durchdringend. „Wie kommen Sie darauf?“
Dadurch ermutigt, dass Clay die Idee nicht von vornherein verwarf, erklärte Mary ihm ihre Theorie. „Ich glaube, der Täter hat Cathy und mich bewusst ausgewählt, um Wolf zu bestrafen. Sehen Sie denn nicht die Verbindung? Cathy nannte Wolf den bestaussehenden Mann in der Stadt und sagte auch, dass sie nichts dagegen hätte, mit Joe auszugehen. Und ich ... jeder hier weiß, dass ich mich von Anfang an mit den Mackenzies angefreundet habe. Deshalb wurden wir ausgesucht.“ „Und Sie glauben auch, dass er wieder zuschlagen wird?“
„Da bin ich ganz sicher. Aber ich habe Angst, dass er diesmal direkt die Mackenzies angreifen wird. Sicher wird er sie nicht überfallen, aber ... welche Chance haben sie gegen eine Kugel? Wie viele Leute in dieser Stadt haben ein Gewehr?“
„Praktisch jeder“, bestätigte Clay grimmig. „Aber welches Motiv sollte der Täter haben? Was hat ihn aufgescheucht?“
Mary zog eine Grimasse. „Ich.“
„Wieso?“
„Bevor ich herkam, war Wolf ein Ausgestoßener. Jeder hatte sich damit arrangiert. Dann habe ich mich mit ihm angefreundet und mit Joe gearbeitet, damit er auf die Akademie gehen kann. Viele sind jetzt sogar stolz, dass einem aus der Stadt diese Ehre zuteil wird, sie sind freundlicher zu den Mackenzies. Die Mauer hat einen Riss bekommen, und wer immer für diese Überfälle verantwortlich ist, erträgt das einfach nicht.“
„Sie beschreiben da jemanden, der voller Hass ist. Das kann ich nicht unbedingt nachvollziehen. Sicher, die Leute hier kommen nicht mit Wolf zurecht, aber das liegt eigentlich an Angst und Schuldgefühlen, es geschieht nicht aus Hass. Man hat Wolf ins Gefängnis geschickt für etwas, das er nicht getan hat, und seine Anwesenheit erinnert die Leute ständig daran. Er ist nicht gerade jemand, der leicht verzeiht, nicht wahr?“
„So etwas ist auch sehr schwer zu verzeihen“, erwiderte Mary.
Clay stimmte ihr seufzend zu. „Trotzdem kann ich mir nicht denken, wer Wolf so sehr hassen sollte, dass er zwei Frauen angreift, nur weil sie
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