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Das Land der Pelze

Das Land der Pelze

Titel: Das Land der Pelze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nie erscheint«. Die Einsamkeit des Oceans unterbrach nur der Durchzug einiger Spritzfische, die sich in dem grünlichen Gewässer tummeln, wo es von Myriaden fast mikroskopischer Thierchen, ihrer wesentlichen Nahrung, wimmelt. Dazu schwammen Hölzer vorüber, verschiedene aus heißen Ländern entführte Arten, welche die großen Meeresströmungen bis hier hinauf trugen.
    Eines Tages, es war am 16. Mai, gingen Mrs. Paulina Barnett und Madge zwischen Cap Bathurst und dem früheren Hafen bei schöner Witterung und warmer Luft spazieren. Schon seit geraumer Zeit verschwand jede Spur von Schnee von der Oberfläche der Insel. Nur die Eisstücken, welche die Schollenwand am Ufer aufgehäuft hatte, erinnerten noch an das Polarklima. Nach und nach schmolzen aber auch jene, Tag für Tag sprangen neue Wasserfälle von dem Gipfel und den Seitenwänden des Eishausens, und voraussichtlich mußte die Sonne bald alle nur von der letzten Winterkälte verlötheten Massen gelockert und zerstört haben.
    Die Insel Victoria bot wirklich einen seltsamen Anblick und hätte unter anderen Verhältnissen wohl das lebhafteste Interesse erweckt, als der Frühling sich daselbst mit ungewohnter Kraft äußerte und das Pflanzenleben sich unter diesen milderen Breiten mit wahrhafter Ueppigkeit entwickelte. Moose, kleine Blumen, Mrs. Joliffe’s Sämereien, Alles sproßte fröhlich empor, und nicht an der Menge der Pflanzen allein, sondern auch an ihrer lebhafteren Färbung erkannte man die vegetative Kraft des dem arktischen Klima entführten Bodens. Die sonst blassen, wasserblauen Blüthen schmückten sich mit wärmeren Farbentönen, alle Bäume und Gesträuche mit satterem Grün. Ihre Knospen sprangen bei dem Wiedereintritt des Saftes, den eine Temperatur von manchmal + 20° in die Gefäße trieb. Die arktische Natur wandelte sich unter einem Breitengrade, der in Europa etwa dem von Christiania oder Stockholm entsprach, vollständig um.
    Für die sich überall meldenden Naturkräfte hatte Mrs. Paulina Barnett jetzt freilich kein Auge. Vermochte sie in dem Zustande ihres vorübergehenden Wohnsitzes etwas zu ändern? – Konnte sie die schwimmende Insel wieder an die feste Erdrinde heften? Nein! In ihr regte sich nur das Vorgefühl der letzten Katastrophe, wie sie der Instinct vielleicht den Hunderten von Thieren verrieth, welche immer in der Nähe der Factorei umherschweiften. Diese Füchse, Zobelmarder, Hermeline, Luchse, Biber, Bisamthiere und Wiesel, welche die nahe drohende Gefahr ahnten und alle ihre Scheu zu verlieren schienen, alle schlossen sich ihren erklärten Feinden, den Menschen, an, so als ob sie von diesen Rettung erhofften. Sie zeigten eine stillschweigende, instinctive Anerkennung der menschlichen Ueberlegenheit, und das gerade jetzt, wo auch diese Ueberlegenheit so machtlos war!
     

    Zwei verzweifelnde Freundinnen. (S. 433.)
     
    Nein! Mrs. Paulina Barnett wollte von alledem nichts sehen; immer hingen ihre Blicke nur an jenem grausamen, grenzenlosen Meere, das mit dem Himmelshorizonte verschwamm.
     

    Beim letzten Versuche zur Rettung. (S. 435.)
     
    »Meine arme Madge, sagte sie, in dieses Unglück habe ich Dich gebracht, Dich, die mir überallhin folgte und deren Ergebenheit und freundschaftliche Treue wohl ein anderes Loos verdient hätte! Kannst Du mir verzeihen?
    – Es giebt Nichts auf der Welt, was ich Dir nicht verzeihen würde, meine Tochter, antwortete Madge; aber irgend Etwas nicht mit Dir zu theilen, das wäre mein Tod gewesen.
    – Madge! Madge! rief die Reisende, wenn ich mit meinem Leben das aller jener Unglücklichen erkaufen könnte, ich würde es freudig hingeben.
    – Du hast also keine Hoffnung mehr, meine Tochter? fragte Madge.
    – O Gott, nein!« antwortete Mrs. Paulina Barnett, und fiel schluchzend ihrer Begleiterin in die Arme.
    Für einen Augenblick kam das Weib doch in dieser so männlich angelegten Natur zum Durchbruch, und wer bliebe bei solchen Prüfungen auch stets von jeder Schwäche frei?
    Mrs. Paulina Barnett ging das Herz über, und Thränen flossen aus ihren Augen.
    Mit ihren Liebkosungen und Küssen suchte Madge sie zu trösten.
    »Madge, bat die Reisende, den Kopf wieder erhebend, sage ihnen wenigstens nicht, daß ich geweint habe.
    – Nein, mein, versicherte Madge, sie würden’s mir auch gar nicht glauben. Das war nur ein Augenblick des Kleinmuths! Auf, ermanne Dich, meine Tochter, Du unserer Aller Seele! Auf, auf, und fasse neuen Muth!
    – Hoffst Du denn noch immer? rief Mrs. Paulina

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