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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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trotzig.
    Snutworth zog die Augenbrauen hoch und wandte sich Lily zu. »Vielleicht möchten Sie Mr Laudate hören?«, fragte er und beugte sich dabei vor. »Möchten Sie hören, was er von Ihnen hält? All die Gedanken, die er sich selbst kaum eingesteht, all seine Zweifel, seine Ängste? Wissen Sie, was er dachte, als er Sie zum ersten Mal sah?«
    Wie auf Kommando schwoll das Hohelied an, und mit ihm kam Lauds Stimme; er sprach in jenem harschen, spöttischen Ton, den er angeschlagen hatte, als er zum ersten Mal ins Almosenhaus gekommen war.
    Albernes kleines Mädchen. Jemand sollte ihr beibringen, wie die richtige Welt funktioniert …
    »Er betrachtet Sie noch immer so«, sagte Snutworth. »Er sieht Sie nicht als individuellen Menschen, sondern nur als ein Bündel von Ideen, die geschützt werden müssen. Stolze kleine Lily, was halten Sie davon?«
    »Es ist mir egal!«, platzte Lily heraus, offenkundig aufgewühlt. »Das sind seine privaten Gedanken. Jeder denkt dumme Dinge, die er nicht wirklich so meint.«
    »Selbst wenn er es so meint, hat das vielleicht auch sein Gutes«, fügte Mark hinzu. Als Lily ihn ungläubig ansah, zuckte er mit den Schultern. »Er hält dich für einen einzigartigen Menschen, der beschützt werden muss. Ich würde sagen, aus Lauds Mund ist das ein großes Kompliment.«
    »Aber wie viel können Sie ihm nachsehen?«, fragte Snutworth, nun in finstererem Ton. »Wie viele hässliche kleine Gedanken können Sie ertragen?«
    Plötzlich war die Luft erfüllt von ihnen. Es erklangen schmeichelnde, kriecherische Stimmen überall um sie herum, spöttisch, höhnisch und alle voller Zweifel und Leid.
    Das schaffen wir nie, wir werden diese Krankheit nie heilen können. Ich hätte gar nicht erst versuchen dürfen zu helfen. Sie verdienen meine Hilfe nicht.
    Das war Dr. Theophilus mit überdrüssiger, schicksalsergebener Stimme.
    »Was für ein Jammer, dass Ihr verlässlicher Heiler so leicht mürbe wird …« Snutworth lachte.
    Es ist Lilys Schuld. Sie ist schuld, dass meine Schwester tot ist. Sie ist schuld, dass mein Bruder uns verlassen hat. Sie ist schuld, dass wir alle kurz davorstehen, in einer albernen Revolution unser Leben zu verlieren.
    Benedictas Stimme triefte vor Bitterkeit. Mark sah, wie Lily die Augen fest zusammenpresste, so als wäre sie körperlich getroffen worden.
    »Wie schade, dass Miss Benedicta Ihnen in Ihrer Abwesenheit nicht die Treue hält«, verkündete Snutworth mit unverhohlener Schadenfreude.
    Mark hätte im Gefängnis bleiben sollen. Dann hätte er keinen Schaden mehr anrichten können.
    Das war Pete. Mark versuchte es auszublenden, hörte dafür nun aber Veritys Stimme laut und deutlich in seinen Ohren klingen.
    Mein Bruder ist gestorben, während er auf sie wartete. Und jetzt ist sie weg. Was sollte es? Warum darf sie leben, und er musste sterben …
    »Wie viel halten Sie aus?«, rief Snutworth. Seine Stimme schien nun mit dem Hohelied zu summen, so als vermischten sich Tausende bekannte und unbekannte Stimmen mit der seinen. Mark spürte die Vibrationen unter seinen Füßen – die Macht von Snutworths Leidenschaft ließ den Raum erbeben.
    Warum sind wir mit Mark verbündet? Er gehörte früher zu den Oberen der Gesellschaft, und das würde er immer noch, wenn er nicht zu Fall gebracht worden wäre … Er ist genau wie der Rest von ihnen …
    Was soll es bezwecken zu kämpfen, wenn meine Kinder verhungern? Wer interessiert sich schon für andere? Ich muss mich um mich selbst kümmern …
    Ich schließe mich ihnen nicht an … sie sind doch bloß Kinder …
    Was nützt es?
    Was soll es?
    »Aufhören! Sofort aufhören!«, schrie Lily und hielt sich die Ohren zu. Mark fühlte sich innerlich kalt und leer. Er wünschte, er könnte ignorieren, was sie gehört hatten, aber irgendwie war ihm klar, dass das Hohelied niemals lügen konnte.
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte Snutworth. »Die großen Richter verschließen genauso vorsätzlich die Augen wie jeder andere auch. Die Wahrheit schmerzt euch. Aber das ist die Wahrheit. Wirft man den ganzen Selbstbetrug und all die kleinen Tricks über Bord, die man dazu benutzt, um sich Ansehen zu verschaffen, dann ist es das, was übrig bleibt – banale, selbstsüchtige kleine Wesen, die es nicht verdient haben, über ihr Leben zu bestimmen.«
    »Ich meinte nicht, mit den Gedanken aufzuhören«, sagte Lily.
    Mark schaute zu ihr hinüber. Sie blickte nun wieder auf, und in ihren Augen glomm ein Feuer, das er bei ihr kannte. Sie

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