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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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herunterzuholen, in einer dunklen Ecke des Direktoriums.
    Verity hätte beinahe losgelacht. Überall lauerten Geheimnisse. Das Leben im Direktorium hatte sie verändert. Sie hatte viel gesehen, viel erfahren, und am Ende bedeutete nichts davon irgendetwas.
    »Ich frage mich, was sie wohl sucht«, flüsterte plötzlich jemand hinter ihr. »Hoffentlich ist es etwas Wichtiges. Die Lordoberrichterin sollte ihre Zeit nicht mit Einordnen verschwenden.«
    Verity spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror. Diese Stimme kannte sie nur zu gut. Langsam drehte sie sich um.
    »Direktor«, sagte sie. Nur ein Wort. Sie wusste, dass es sinnlos war, sich an einer Erklärung zu versuchen, warum sie hier war. Ihn anzulügen hieß Atem zu vergeuden.
    »Miss Rita«, sagte er, die kurze, vertrauliche Form ihres Namens verwendend, und lächelte freundlich. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei der Arbeit, aber ich wollte etwas mit Ihnen besprechen.«
    Verity zögerte einen Moment zu lange. Eigentlich hatte sie sofort antworten und damit vorgeben wollen, alles sei in Ordnung. Sie merkte, dass dem Direktor ihr Zögern nicht entgangen war. Seine Augen blickten nicht so freundlich, wie sein Lächeln aussah.
    »Selbstverständlich, Direktor, ich …« Sie versuchte auf etwas zu kommen, das sie ihm sagen konnte. »Ich dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt, um ein wenig Papierkram zu erledigen, da Sie sich in einer Besprechung befanden …«
    »In der Tat, äußerst originell«, erwiderte der Direktor, entfernte sich von Lady Astrea und bedeutete Verity, ihm zu folgen, damit sie sich unterhalten konnten, ohne gehört zu werden. Deprimiert gehorchte ihm Verity. »Vater Wolfram und Chefinspektor Greaves genießen gerade die Gesellschaft des jeweils anderen«, fuhr der Direktor fort, »aber ich hatte kein Verlangen, die Geschichte des frommen Mannes ein zweites Mal zu hören.«
    Er lachte leise, als hätte er einen Witz gemacht. Verity beschloss, sich kein Lächeln abzuringen. Es war weit besser, emotionslos zu bleiben und nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aus diesem Grund hatte sie es so lange ausgehalten. Selbst der ehemalige Direktor war ein Mann gewesen, dem man am besten aus dem Weg ging.
    Der Direktor schaute sie fragend an und seufzte dann. »Wahrhaftig, ich hoffe, dass ich irgendwann einmal Ihren Sinn für Humor entdecke, Miss Rita«, sagte er. »Ich weiß, dass ich ohne ihn meinen Pflichten nicht nachkommen könnte. Und was nun diesen Papierkram angeht, so denke ich, ich sollte ihn mal durchsehen, nur für den Fall, dass es dabei etwas gibt, um das ich mich noch nicht gekümmert habe.«
    Bevor sie reagieren konnte, pflückte er ihr die Papiere aus den Armen. Ihre Augen weiteten sich. Ihr Puls raste.
    »Dafür besteht keine Notwendigkeit, Sir, es ist vollkommen banal«, sagte sie hastig.
    Der Direktor blickte kaum zu ihr auf, während er die Seiten durchblätterte. »Der Teufel steckt im Detail, Miss Rita. Das wissen Sie doch.«
    »Aber Sir, ich …« Während er fortfuhr, schnürte sich ihr die Kehle zu.
    Schließlich zog er die herausgerissene Seite hervor. Er starrte sie an. Das Papier war alt und kleiner als die anderen Dokumente, eindeutig kein Teil des Stapels. Verity konnte nichts sagen, nicht denken. Ihr blieb nur die Hoffnung, er werde nicht erkennen, was er da vor sich hatte.
    Der Direktor lächelte und steckte die Seite wieder zurück zu den anderen Papieren. »Wirklich reizend«, sagte er milde. »Nun, es scheint, als sei alles so, wie es sein sollte.«
    Er gab ihr die Papiere wieder zurück und ging davon, Verity im Magazin zurücklassend.
    In wenigen Momenten würde sie aus diesem Raum hinausgehen, hinunter in die Stollen. Sie würde keinen Lärm machen. Sie würde so unauffällig und zuverlässig sein wie immer, und niemand würde ihr Tun in Frage stellen.
    Aber bei alledem nahm sie kaum etwas um sich herum wahr. Denn das Lächeln des Direktors ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Es war kein falsches Lächeln gewesen, sondern etwas viel Schlimmeres.
    Es war ein Lächeln der Zufriedenheit und des Triumphs gewesen.
    »Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?«, fragte Wolfram säuerlich, als der Direktor wieder sein Büro betrat.
    Ohne etwas zu sagen, ging der Direktor zu seinem Schreibtisch. »In gewisser Weise schon«, erwiderte er schließlich. »Ich habe gefunden, was ich zu finden erwartete, wenn auch vielleicht ein wenig eher als geplant. Aber das ist nur gut so.«
    »Direktor«, brach Greaves sein

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