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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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beherrschen. Ben wird mittlerweile wieder in Agora sein , sagte ein neuerliches Geflüster in seinem Hinterkopf, und Mark und Theo auch. Und du hast sie zurückgelassen, um diesem armen, verrückten Mädchen zu folgen. Wirst du jemals eine Heimat haben, in die du zurückkehren kannst?
    »Diese ganze Zeit dachte ich immer, ich würde helfen«, fuhr Lily mit eher trauriger als ängstlicher Stimme fort. »Ich dachte, ich weise den Menschen einen Weg, um auf neue Art zu leben. Dass sie nicht immer und immer wieder die gleichen Fehler in ihrem Leben machen müssen, indem sie sich über Kleinigkeiten streiten oder einander mit Traditionen ersticken. Die Zukunft gehörte uns, Laud. Eine anständige Zukunft, in der jeder vollständig sein würde … nicht leer, nicht nach einer Bestimmung suchend, die er niemals finden würde …«
    Lily fing heftig an zu zittern. Zum ersten Mal fiel Laud auf, wie mager sie geworden war, fast nicht mehr greifbar.
    »Lily, hör doch mal einen Moment zu …«, sagte Laud verzweifelt, aber sie schien ihn gar nicht mehr wahrzunehmen.
    »Aber das ist nicht meine Zukunft. Es ist ihre«, murmelte sie. Während der Alptraum sie befiel, wurde ihre Stimme hektischer. »Das uralte Experiment des Waage-Bundes, genau nach Plan. Wen kümmert es, wie viele sterben müssen? Wen kümmert es, dass sie uns allein ließen? Sie haben gewonnen – und wir müssen den Preis dafür bezahlen.«
    »Lily …«
    »Aber was spielt das für eine Rolle?«, fragte sie, wobei ihre Stimme erst leiser wurde und dann wieder anschwoll. Laud spürte nun selbst den Alptraum, der durch den Schlamm und die Luft glitt und sich wie ein Dunstschleier über Lily legte. »Wir sind nicht echt. Keine richtigen Menschen. Wen kümmert es, ob wir Mütter haben, die seelenlose Maschinen sind, und tote Väter, die uns unserem Schicksal überlassen, solange nur das große Projekt weiterbesteht?« Sie lachte hart. »Solch kleine Leben, Laud. Wir schreiten unsere mickrigen Lebenswege entlang, bis wir zu Staub zerfallen, bis wir nur noch Muster bilden, die zu sehen niemand in der Lage ist …«
    »Lily!«
    »Ich wollte Glück, Laud«, sagte sie, und nun nahm ihre Stimme wieder das hohe, irre Flüstern an. »Für mich, für alle. Ich dachte, meine Ideen könnten es bewirken. Mir war es egal, wen ich dafür opferte, meine Vorstellung einer Welt umzusetzen, denn ich war mir so sicher . Genau wie dieser Waage-Bund. Aber es ist alles verdreht. Alles. Ein ganzes Leben voller Sehnsucht, und ich bin schlimmer als der Alptraum, schlimmer noch als Snutworth. Die haben wenigstens nie geglaubt, etwas Gutes zu bewirken. Aber mir hat keiner gesagt, dass die Musik aufgehört hat zu spielen, die Welt sich weitergedreht hat und ich mich nur noch drehe und versinke und sterbe und …«
    »Bei allen Sternen, jetzt hör dich doch reden!« Laud packte sie an den Schultern. »Glaubst du wirklich, du hättest an allem Schuld?«, rief er. »Meinst du, wir anderen hätten alle bloß herumgesessen und darauf gewartet, dass die großartige Lilith unsere Welt auf den Kopf stellt?« Er begegnete ihrem Blick und schaute sie todernst an. »Meinst du, alle wären gefolgt, hätten gekämpft und wären ums Leben gekommen, nur um dir einen Gefallen zu tun? Die Lily, wie ich sie in Erinnerung habe, würde nicht so denken. Die Lily, wie ich sie in Erinnerung habe, scherte sich nicht um Prophezeiungen oder uralte Pläne von irgendwem. Sie hat bloß die Ärmel hochgekrempelt und sich darangemacht, dem nächsten Schuldner, der zur Tür hereinkam, zu helfen. Denn das war es, was sie getan hat – helfen. Den ganzen Tag, jeden Tag. Sie hat sich so bemüht, dass sie fast vergessen hat, dass sie nur ein einzelner Mensch war. Ein einzelner Mensch mit einer erstaunlichen, begeisternden Idee.«
    Lily starrte ihn an. In diesen Augen sah er noch einen Funken ihres alten Ichs – verängstigt und unsicher.
    »Aber alles, was ich getan habe … all diese Toten in meinem Namen …«
    »In wessen Namen?«, sagte Laud grimmig. »Lily, die Gegenspielerin? Lily, die Revolutionärin? Das bist nicht du. Gut oder schlecht, das hier ist jetzt größer als du.« Er beugte sich ganz dicht zu ihr vor und berührte ihre Stirn mit der seinen. »Das bist du. Es ist ganz gleich, wie viele Namen du hast oder wer deine Eltern waren. Es spielt weder für mich eine Rolle noch für Mark, Ben oder Theo. Du bist Lily. Du bist gut und mitfühlend und dickköpfig und wütend und wunderbar.« Er schob ihr eine Haarsträhne

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