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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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bald zur Neige gehen, und die Lebensmitteleinfuhr aus Giseth steht unter der Kontrolle des Direktoriums.«
    Die Bemerkung ließ Greaves unwillkürlich zusammenzucken. Vor seiner Beförderung zum Chefinspektor hatte er wie alle anderen, die nicht zum privaten Kreis des Direktors gehörten, geglaubt, jenseits der Stadtmauern gäbe es nichts. Zu hören, wie das dort draußen liegende Land so beiläufig erwähnt wurde, beunruhigte ihn. Die Agoraner, die dem Direktorium nach wie vor loyal gegenüber waren, betrachteten ihn als Vertreter der öffentlichen Ordnung und der Gerechtigkeit. Und doch war er nun hier und plante die Zukunft mit Menschen, denen eine Lüge ganz locker über die Lippen kam.
    »Selbstverständlich werden wir die Lebensmittel auch in der Oberstadt rationieren müssen«, fuhr der Direktor fort, Greaves’ Unbehagen ignorierend. »Aber unsere Vorräte werden bis zur Ernte in Giseth und der nächsten Lieferung von dort reichen.« Er griff nach einer Karaffe und schenkte sich ein Glas Wein ein. »Die Revolutionäre werden nicht so viel Glück haben. Sie werden so lange hungern, bis sie keinen Widerstand mehr leisten können. Eine angemessene Bestrafung, denke ich, während wir uns mit wichtigeren Dingen beschäftigen.«
    »Bei allem Respekt, Sir«, brummte Greaves, »was könnte wichtiger sein als das Leben unseres Volkes?«
    Der Direktor begegnete Greaves’ Augen mit einem unerbittlichen Blick. »Meinen Sie, mir wäre das Leben unseres Volkes nicht wichtig? Glauben Sie mir, Greaves, mir liegt das Wohlbefinden aller in unserer Stadt am Herzen. Ich habe schlicht und einfach eine langfristigere Lösung im Blick. Sie haben ihnen die Möglichkeit gewährt, klein beizugeben, und die haben darauf mit Gewalt geantwortet. Daher haben sie nun jedes Recht verwirkt, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.«
    Greaves spürte, wie er die Zähne zusammenbiss. »Ich diene Agora und seinen Bewohnern, Sir. Ich habe einen Eid darauf abgelegt.«
    »Nein, Sie haben einen Eid geschworen, dem Direktorium treu zu dienen. Sie haben Ihre Loyalität gegen Ihren Titel und Ihre Macht eingetauscht, Chefinspektor.« Der Direktor lehnte sich zurück, ohne den Blick abzuwenden. »Nichtsdestotrotz erkenne ich die Schwierigkeit an, die in der Ausführung dieses Einsatzes liegt. Die Eintreiber werden ständig wachsam sein müssen, und auf den Straßen ist es für Sie nicht sicher. Deshalb ernenne ich Inspektorin Poleyn zum Befehlshaber der Truppen auf den Straßen. Sie selbst sind an das Direktorium gebunden. Und nun habe ich ein Unterredung mit Vater Wolfram. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.«
    Greaves drehte sich um und versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, als Vater Wolfram aus den Schatten hervortrat. Für jemanden, der so auffällige rote Gewänder trug, hatte er viel Übung darin, sich unsichtbar zu machen.
    Seit jenen ersten Tagen im Direktorium hatte der Mönch nicht viel gesprochen. Zunächst hatte sich Greaves gefragt, ob er ein Verbündeter sein würde, ein Mann, der den Direktor auf seine ureigene Art herausfordern würde. Doch worüber sie bei ihren privaten Treffen auch gesprochen haben mochten, er hatte sich rasch auf die Seite des Direktoriums gestellt, und mittlerweile wusste jeder, dass er die rechte Hand des Direktors war.
    Dennoch vermochte nicht einmal Greaves mit seiner langen Dienstzeit genau zu ermessen, was Wolfram wirklich tat. Offiziell war er als Berater tätig. Er hatte zahlreiche gedämpfte Unterhaltungen mit dem Direktor über einen »Prozess«, an dem sie arbeiteten, und die Frage des »Vermittlers«. Das hörte sich zwar dubios an, aber nicht ungewöhnlicher als die vielen geflüsterten Unterhaltungen, die es im Verlauf der letzten Jahre im Empfangsdirektorium gegeben hatte.
    Aber an dieser Sache war noch mehr dran. Greaves hatte bemerkt, dass Wolfram Briefe nach Giseth gesandt sowie Agenten hinausgeschickt hatte, um die Stadt und die umliegenden Länder auszukundschaften. Greaves hatte seine eigenen Untersuchungen angestellt. Er wusste, dass Wolfram nach wie vor auf der Suche nach Lily war.
    Aber auch das ergab keinen Sinn. Der Direktor wusste genau, wo sich Mark aufhielt – er hatte Greaves den Brief einer alten Freundin gezeigt, in dem diese ihm berichtete, der Junge sei wieder im Tempel. Dennoch schickte er niemanden dorthin, um ihn zu verhören und herauszufinden, wo Lily war. Wenn er sich etwas wirklich vorgenommen hatte, würden die Barrikaden für den Direktor kein

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