Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
hoffnungslosen Narrenspiels.
Perb sagte: »Stell deine letzten drei Fragen.«
Aber ich war plötzlich dieses sinnlosen Rituals müde. Ich konnte das nicht schaffen. Mein Vater würde mich nicht rechtzeitig retten. Tom und Jee und ich würden sterben, und das Beste, worauf ich hoffen konnte, war, dass mein Vater zumindest damit recht gehabt hatte, dass die Wilden Folter als etwas erachteten, das ihren merkwürdigen Ehrenkodex unterlief. Aber sowohl Tarek als auch Perb starrten mich erwartungsvoll an, und ich musste etwas fragen.
»Wann wird die Unterweisung beginnen?«
»Morgen.«
»Wann werden wir das… das Königreich erreichen?«
»Nach zwei weiteren Zwölftagen auf der Straße.«
»Was ist der größte Wert für Seine Lordschaft?«
»Wir benutzen keine Titel. Du wirst ihn als Tarek, Sohn von Solek, Sohn von Taryn ansprechen, wenn du ihn überhaupt ansprechen musst. Und der wichtigste Wert ist Disziplin.«
Perb übersetzte all das. Tarek hörte zu, dann blickte er mich unmittelbar an. In meiner eigenen Sprache sagte er: »Du jetzt gehen.«
Also verstand er einige meiner Worte, wie ich auch einiges seiner Rede verstand. Hatte er meine Beleidigungen gegen sein Volk mitbekommen? Wenn dem so war, hatte sich die Erkenntnis nicht auf seinem Gesicht gezeigt.
Disziplin.
Perb führte mich zum Ausgang, wo mein Wächter wartete, um mich zu dem hellgelben Wagen zu führen.
37
Während meiner Befragung durch den Junghäuptling war es Nacht geworden. Die Wilden hatten ihr Mahl beendet. Einige hatten sich in ihre Umhänge eingerollt und waren schon eingeschlafen, während andere immer noch um die Feuer ihrer Kader saßen und sich unterhielten. Irgendwo knackte trockenes Holz in den Flammen, und plötzlich erinnerten mich die Soldaten schrecklich an die Kreise der Toten, die sich um den summenden Nebel der Zuschauer vom Seelenrankenmoor scharten.
Wir suchten uns einen Weg durch die Kader– so viele Soldaten!–, bis wir zu den Wohnwagen kamen. Hier war die Geschäftigkeit größer. Männer– Wilde und solche aus dem Königinnenreich– luden halb leere Kisten aus den Wagen und ordneten den Inhalt in Bündeln an, die man, wie ich vermutete, auf dem Rücken tragen konnte. Ich hatte mich gefragt, wie es möglich sein sollte, dass die kleine Prinzessin auf einem so unebenen Gelände zu Fuß weit kam, und nun sah ich, wie zwei Gegenstände ausgeladen wurden. Jeder bestand aus zwei langen Stangen, zwischen denen eine Tragfläche angebracht war. Auf jeder Tragfläche stand ein großer Sessel, der von einem Gestell mit Vorhängen umgeben war; im Augenblick waren die Vorhänge zurückgezogen. Vier riesige Männer, Wilde, die aber nicht wie Soldaten angezogen waren, nahmen die Enden der Stangen auf, luden sie sich probeweise auf die Schultern und nickten. Ich hatte ein solches Beförderungsmittel noch nie gesehen, aber ich war mir nun sicher, dass man die Prinzessin über die Berge tragen würde.
Dann sah ich sie.
Neben dem purpurnen Wagen saß auf einem kleinen Hocker neben dem Feuer Prinzessin Stephanie– nein, Königin Stephanie, obwohl ich mir ein so kleines Mädchen nicht als Königin vorstellen konnte. Zwei Frauen kauerten neben ihr. Ich konnte das vom Feuer erhellte Gesicht der Amme erkennen, die während der Hochzeitszeremonie auf den Thron des Junghäuptlings zugestürmt war. Die Amme streichelte Stephanie beruhigend, dann nahm sie sie in die Arme. Die andere Frau, deren Rücken mir zugewandt war, schüttelte den Kopf. Die beiden schienen sich zu streiten. Die andere musste gewonnen haben, denn die Amme setzte die Prinzessin mit gerunzelter Stirn wieder auf ihren Hocker, und das kleine Mädchen richtete sich auf und legte den Kopf in den Nacken, um zu der zweiten Frau aufzublic ken, die sich so weit umdrehte, dass ich sie erkennen konnte.
Ohne auf meinen Wächter zu achten, rannte ich kopflos nach vorn und stürmte in den Lichtkreis des Feuers. Sechs Männer zogen Messer. Mein Wächter rief etwas, und dann zogen sich die Männer zurück, aber nicht sehr weit. Ich schrie: »Lady Margaret!«
Sie blinzelte, dann lächelte sie. »Roger. Ich dachte, du wärst tot.«
»Das dachte ich auch.« Ich war merkwürdig froh, sie zu sehen, jene ältere Frau, die mich zur selben Zeit für einen Retter, einen Mörder, einen Betrüger, eine Hexe und immer noch für Königin Carolines Narr hielt. Ich war froh, dass eine so praktisch veranlagte Frau die kleine Prinzessin beschützte.
Das Kind blickte neugierig zu mir auf; die
Weitere Kostenlose Bücher