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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Amme runzelte die Stirn.
    Stephanie fragte: »Wer bist du?« Ihre Stimme war dünn, hoch und ängstlich. Sie trug nicht das Purpur, auf das sie Anspruch hatte, sondern ein graues, robustes Kleid, das von guter Qualität, aber nicht verziert war. Lady Margaret und die Amme trugen das Gleiche.
    Ich kniete mich hin. »Ich bin Roger Kilbourne, Euer Gnaden. Ich… ich habe Eurer Mutter gedient.«
    »Oh.« Sie blickte zur Seite, ausdruckslos. Ich konnte nicht sagen, ob sie sich an ihre Mutter erinnerte, die nun seit zweieinhalb Jahren tot war. Gewiss ähnelte sie dieser feurigen und sinnlichen Königin nicht, weder im Temperament noch in der Schönheit.
    Die Amme sagte: »Euer Gnaden, es ist Zeit für Euch, zu Bett zu gehen.«
    Zu mir sagte Stephanie: »Dies ist meine letzte Nacht im Wagen. Morgen werde ich zu Fuß gehen müssen, und es wird sehr ermüdend sein.«
    »Nein, Euer Gnaden«, antwortete ich, »Ihr werdet nicht gehen müssen. Ich habe Euer… Euer Beförderungsmittel gesehen. Es ist ein Sessel mit kleinen Vorhängen an allen Seiten, und man wird Euch darin gut verborgen tragen. Ihr könnt so tun, als wärt Ihr ein unsichtbarer Vogel.«
    »Wirklich?« Zum ersten Mal lächelte sie. Ihre Augen, vom Weinen ganz rot, leuchteten auf, und ich erkannte, dass sie ihren eigenen Liebreiz hatte. Nicht die Leidenschaft ihrer Mutter oder die Würde ihrer Großmutter, sondern eine sanfte und kindliche Süße.
    »Nana, Lady Margaret, habt Ihr das gehört? Roger sagt, dass ich nicht gehen muss! Und ich kann ein unsichtbarer Vogel sein!«
    »Ein guter Gedanke«, sagte Lady Margaret. »Und nun ins Bett, Euer Gnaden.«
    Stephanie gehorchte und stand von ihrem Hocker auf. Anmutig hob sie ihre kleine Hand zu mir. »Du darfst dich erheben, Roger. Ich mag dich.«
    »Ich bin der Diener Euer Gnaden.«
    »Aber ich mag sie nicht«, sagte Stephanie und deutete auf den giftgrünen Wagen. »Sie sind schlimm.«
    Drei Mädchen stiegen aus dem grünen Wagen. Obwohl sie jetzt mehr Kleider trugen, erkannte ich die drei halb nackten Mädchen der Wilden, die der Prinzessin bei ihrer Hochzeit »aufgewartet« hatten. Nun lachten sie und plauderten miteinander, aber ich war zu weit entfernt, um ihre Worte zu verstehen. Die Bräuche der Wilden waren merkwürdig, und ich wusste nicht, was das für Mädchen waren, obwohl ich wusste, wofür Tom Jenkins sie gehalten hätte. Aber sicher würden doch nicht einmal Wilde Huren bei der Hochzeit einer zukünftigen Königin hinzuziehen? Sie mussten etwas anderes sein, aber ich hatte keine Ahnung, was.
    Die Amme sagte: »Komm jetzt mit, Lämmchen.«
    »Gute Nacht, Lady Margaret. Gute Nacht, Roger«, sagte das Kind. Sie wurde von der Amme weggeführt. Mein Wächter, der mich nach wie vor niemals berührte, bedeutete mir zum sechsten oder siebten Mal, dass ich ihm folgen sollte. Ich achtete nicht auf die Geste und sagte leise zu Lady Margaret: »Geht es der Prinzessin gut?«
    »Sie hat Alpträume. Manchmal scheinen sie mehr zu sein als nur Träume.«
    Mir gefror das Blut in den Adern.
    »Was ist, Roger? Weißt du etwas über diese Alpträume? Verursachst du sie?«
    »Nein.« Aber ich hatte eine Ahnung, wer dafür verantwortlich war. War das möglich? »Caroline hat die Seelenkünste studiert, aber sie hatte die Gabe nicht«, hatte mir Mutter Chilton einst erzählt, »ihre Großmutter jedoch hatte sie.« Bedeutete das, dass Stephanie womöglich ein Erbe…
    Nein. Ich bildete mir etwas ein. In niemandes Träume außer meinen, den Träumen eines Hisafs, drang jemand aus jenem anderen Reich ein. »Tot seit elf Jahren …«
    Ich sah zu, wie Stephanie die Stufen zu ihrem Wagen hinaufstieg, gefolgt von ihrer Amme. Im Eingang wandte sie sich um und winkte mir und Lady Margaret zu, vielleicht ein letzter Versuch, das Schlafengehen hinauszuschieben. Kinder, die als Waffen in einem Krieg eingesetzt wurden: die Prinzessin, meine wahnsinnige Schwester, die kichernden, halb erblühten Mädchen neben dem anderen Wagen. Zumindest wurde mein eigenes ungeborenes Kind, das meinen Gedanken niemals fern war, nicht benutzt. Er oder sie war bei Maggie im Königinnenreich sicher.
    »Klef! Klef!«, beharrte mein Wächter; er hatte schließlich genug Mut aufgebracht, mir eine Hand auf den Arm zu legen und mich weiterzuziehen. Die Hand fühlte sich an wie ein Eisen, das sich um meine Seele legte.
    »Roger, hilf Ihrer Gnaden«, hatte Lady Margaret noch zu mir gesagt. Aber sie hatte keine Ahnung, wie wenig ich mir selbst helfen konnte. Als der

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