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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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die Stimmen überglücklich. Diese Soldaten kehrten heim. Mein Wächter und ich machten uns auf den Weg zwischen den Feuern hindurch, und dieses eine Mal interessierte sich niemand für mich.
    Am anderen Ende der Wiese, kurz vor einem steilen Anstieg in ein kleines Tal, waren vier oder fünf Zelte aus Tierhäuten aufgeschlagen. An der geschlossenen Klappe des größten dieser Zelte standen zwei Wächter stramm. Anders als die einfachen Soldaten, an denen wir gerade vorbeigekommen waren, beäugten mich diese Wächter feindselig, furchtsam, voller Ehrfurcht. Was glaubten sie über mich zu wissen? Was glaubte der Junghäuptling zu wissen?
    Mir wurde die Brust eng, drückte mir auf die Lunge. Das Atmen fiel mir schwer.
    Einer der Soldaten rührte sich, um vorzutreten und mich grob zu durchsuchen. Anders als mein Wächter hatte er keinerlei Skrupel, mich zu berühren, und ich war froh, dass ich keines von Jees gestohlenen Messern bei mir hatte. Der Wilde fand mein kleines Rasiermesser, zuckte voller Abscheu die Schultern, nahm es mir aber nicht weg. Er bellte etwas, das ich nicht verstand. »Klef klen«, sagte mein Wächter zu mir. Die Sprache benutzte dasselbe Wort für »kommen« und »gehen«. »Geh jetzt.« Zögernd näherte ich mich dem Zelt. Als niemand mich aufhielt, hob ich die Klappe und ging hinein.
    Kohlen glühten in einer kleinen Feuergrube in der Mitte des Zelts. Die hintere Klappe war offen und gab einen herrlichen Blick auf den Sonnenuntergang über dem Tal darunter frei. Dicke Pelze bildeten in einer Ecke ein Lager. Zwei Männer standen neben der Feuergrube. Einer war der Junghäuptling, dessen dunkles Haar locker um die Schultern fiel; sein mächtiger Körper in der ärmellosen Felltunika verströmte einen starken Geruch nach Schweiß und Straße. Bei seiner Hochzeit im Palast hatte er einen bunten Federumhang und Armbänder aus Gold und Edelsteinen getragen, die nun alle fehlten. Der ältere Mann trug Kleider nach Art des Königinnenreichs, Hemd und Hosen aus grobem Stoff, aber seine Stiefel hatten Metallkappen wie die der Wilden. In der Düsternis konnte ich die Gesichter der beiden Männer nicht erkennen.
    Sollte ich mich hinknien? Ich würde es nicht tun– ich konnte nicht. Nicht vor diesem Mann, der mein Königinnenreich und Königin Carolines Tochter an sich gerissen hatte, dessen Vater ich den Tod gebracht hatte.
    Tarek, Sohn von Solek, Sohn von Taryn schien nicht zu erwarten, dass ich mich hinkniete. Er wandte leicht den Kopf, um mich zu mustern, und seine blauen Augen fingen das Licht des Feuers ein. Nur Wilde hatten so blaue Augen wie das Meer unter einer leuchtenden Sonne. Aber in seinem Blick stand nichts Wildes. Kein Zorn, kein Rachedurst, nicht einmal die kalte Grausamkeit der Männer vom Seelenrankenmoor. Tarek betrachtete mich mit kühler, kluger Neugier. Er blickte mich an, wie mich einst Königin Caroline angeblickt hatte, oder wie man einen Hammer oder eine Ahle oder einen Feuerstein anblickte: ein nützliches Werkzeug, das vielleicht hilfreich war, um ein Ziel zu erreichen.
    Der ältere Mann sagte mit einem starken, fremden Akzent: »Ich bin Perb. Ein Übersetzer. Der Junghäuptling heißt dich willkommen, Antek.«
    Ich sagte nichts, weil ich Angst hatte, dass alles, was ich sagte, falsch sein würde. In der Stille knackte ein Holzscheit in der Feuergrube. Ich zuckte bei dem plötzlichen Geräusch zusammen. Der Junghäuptling lächelte kalt und sagte, ohne auch nur einmal den Blick von mir zu wenden, etwas, das für mich zu schnell war, sodass ich nur ein paar Worte aufschnappen konnte.
    »Er sagt, du sollst keine Angst haben, Antek«, übersetzte Perb. »Tarek will dir nichts antun.«
    Weshalb nicht? Ich hatte seinen Vater getötet, so viele Soldaten aus dem Land der Toten zurückgeholt, dass die erste Armee der Wilden geschlagen worden war, einen seiner Sänger-Soldaten verstümmelt, und ich hatte– so musste es ihm zumindest vorkommen– meinen Hunden befohlen, drei weiteren die Kehle herauszureißen. Wie konnte Tarek mir nichts antun wollen? Ich stellte fest, dass ich bis jetzt nicht ganz an die Worte meines Vaters geglaubt hatte: »Die Wilden foltern nicht. Für sie ist es unter ihrer Würde.« Und auch nicht an diese andere, verheerendere Aussage: »Er will die ›magischen Illusionen‹, von denen er glaubt, dass du sie geschaffen hast, um seinen Vater zu schlagen. Er glaubt, dass du eine Hexe bist, und dass du ihm beibringen kannst, es ebenfalls zu werden.«
    Unter Tareks

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