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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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ein, ganz das gesunde, junge Tier, das er war. Ich lag wach, fürchtete den monströsen Traum, aber als ich schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel, träumte ich stattdessen von Essen. Von duftendem Rosmarinbrot, frisch aus dem Ofen. Maggies dicker Erbsensuppe, in der knusprige kleine Fleischbällchen schwammen. Von Lammbraten, süßen Kuchen, auf denen geschmolzener Zucker glänzte, großen Schüsseln voller…
    Krach!
    Das Gewehr wurde irgendwo in den Wäldern zu meiner Linken abgeschossen. Ich sprang auf und tastete dümmlich nach meinem Gehstock– als ob der irgendetwas gegen die Waffen der Wilden bewirkt hätte! Die Morgendämmerung färbte den Himmel rot und orangefarben, und für mein entsetztes, vom Schlaf benommenes Gehirn wirkte es, als hätte das unsichtbare Gewehr diese Farben über den Himmel verteilt, wie sich bald auch mein Gehirn über das wilde Gras verteilen würde.
    Krach!
    Tom war fort.
    Ich sprang auf, die Angst wich dem Zorn. »Tom!«
    Krach!
    »Tom, du Sohn eines Hurenbocks!«
    Keine Antwort. Es dauerte weitere zehn Minuten, ehe er durch das Unterholz krachte und ein paar tote Rebhühner hochhielt; sein Gesicht leuchtete, das Gewehr hing schlaff in der anderen Hand. »Schau, Peter! Frühstück! Ich hab’s geschafft!«
    »Du Trottel!« Ich war über ihm, ehe er wusste, worauf er sich einstellen musste, schlug ihm mit meiner einen heilen Hand ins Gesicht und auf die großen Schultern, schrie, dass er ein Dummkopf war, ein Vogelhirn, ein Klumpen hirnlosen Drecks…
    Mit einem einzigen Schubs schob er mich von sich, sein Gesicht verletzt und verständnislos. »Was? Schau, Frühstück! Ich habe sie für uns getötet!«
    »Du hast mit diesem Gewehr geschossen!«
    »Es ist nicht schwierig. Ich habe es leicht herausgefunden. Du machst einfach…«
    »Tom.« Ich zwang mich zur Ruhe. Ich– der bei Hartahs Schlägen, den Intrigen von Königin Caroline und Cecilias Launen mein Temperament im Zaum gehalten hatte– hatte die Kontrolle über mich verloren. Das konnten wir uns nicht leisten.
    »Tom, das Gewehr hat großen Lärm gemacht. Wenn sich die Wilden irgendwo in ein paar Meilen Entfernung aufhalten, haben sie es gehört. Jetzt wissen sie, wo wir sind.«
    »Ach, Katzenpisse. Ich habe die Seilbrücke durchgeschnitten.«
    »Das war vor zwei Tagen! Sie können längst einen anderen Weg über die Schlucht gefunden haben.«
    Er wurde mürrisch. »Ich habe in den Wäldern keine Spur von ihnen gesehen. Und ich hatte gedacht, du würdest dich über die Rebhühner freuen.«
    Wie hatte er seine sechzehn Jahre überlebt? Ich entwickelte langsam Verständnis für den Vater, der ihn grob behandelt hatte. Tom hätte die Geduld einer Statue herausgefordert. Und doch blickte er mich so vorwurfsvoll an– so bedrückt, dass ich nicht erfreut war über die Rebhühner, die er zum Frühstück geschossen hatte.
    Ich seufzte. »Schieß einfach nicht mehr mit dem Gewehr . In Ordnung?«
    »In Ordnung. Aber ich glaube immer noch, dass die Wilden weit weg sind. Und ich behaupte, du hast noch nie ein so gutes Rebhuhn probiert, wie es das hier werden wird! Da wette ich vier zu eins!«
    Er hatte recht. Es gibt keine bessere Soße als Hunger. Die fetten Rebhühner, die über einem Feuer aus Walnussholz gebraten wurden, mit wilden Zwiebeln gewürzt und mit kühlem Wasser aus einem Bergbach hinuntergespült, waren das beste Frühstück, das ich je gegessen hatte. »Ich habe es dir ja gesagt!«, krähte Tom, rülpste und erstarrte mit großen Augen.
    Ich drehte mich um, um über die Schulter zu blicken. Die beiden Wilden standen am Rande der Lichtung, ihre Gewehre auf uns gerichtet.
    Tom krabbelte hektisch zu seinem gestohlenen Gewehr, und ich ließ meinen Stiefel darauf herabkrachen. Er hatte keine Möglichkeit, es vor ihnen abzufeuern. Sie könnten ihn töten. Sie würden mich töten, aber der Junghäuptling hegte keinen Groll gegen Tom Jenkins. Vielleicht konnte ich…
    »Aleyk ta nodrie!«
    »Hent!«
    »Ihr Söhne von diebischen Bastarden!«, schrie Tom. »Wagt es ja nicht…«
    »Tom! Nicht!«, brüllte ich– umsonst. Tom war aufgesprungen und hatte sein Messer gezogen. Er griff an. Zwischen ihm und den Fremden waren mindestens zwanzig Fuß Abstand. Gemächlich visierte einer der Wilden an der glatten Metallröhre seines Gewehrs entlang. Er würde jeden Augenblick feuern. Ich schrie wieder, etwas Unverständliches, Verzweifeltes.
    Eine graue Gestalt stürzte sich auf den Wilden, und er fiel, während der Schuss harmlos in

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