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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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schien ihn zu beunruhigen. Er machte ein finsteres Gesicht. Ich hatte jetzt etwas, das er nicht hatte. Ich hätte nicht zugeben sollen, dass ich lesen konnte. Ich log ihn an: »Aber nicht sehr gut. Nur ein paar Wörter.«
    »Kann George lesen?«
    »Nein, gar nicht.«
    »Oh. Nun, ich habe schlechte Neuigkeiten, Peter.«
    Mein Bauch verkrampfte sich. Toms Gesicht wirkte untypisch ernst. Aber es war gar nicht meine Lesefähigkeit, die ihn beunruhigt hatte. Er sagte: »Letzte Nacht, nachdem du eingeschlafen warst, bin ich zum Rande dieser Klippe gegangen, an der wir gestern vorbeigekommen sind, die, die zu dieser Schlucht abfällt, erinnerst du dich?«
    Natürlich erinnerte ich mich. Wir hatten Stunden damit verbracht, uns in der Dunkelheit einen Weg entlang des gegenüberliegenden Randes der Schlucht zu ertasten, und ich hatte mir Sorgen gemacht, ich würde ausrutschen und über die Klippe stürzen. Wir mussten die Schlucht überqueren, um dem Südstern zu folgen. Schließlich hatten wir eine grobe Seilbrücke gefunden, die von den Leuten der Unbeanspruchten Lande errichtet worden war, und wir hatten uns einen Weg hinüber gebahnt, als die Dämmerung gerade angebrochen war. Diese Schlucht konnte man nicht vergessen, genauso wenig das Schwanken der alten Seile unter den Füßen. Wären sie gerissen, hätten wir den Sturz nicht überlebt. Aber Tom sprach immer zu mir, als wäre ich in dieser Wildnis nicht nur so hoffnungslos verloren, dass ich mich nicht allein zurechtfinden könnte, sondern auch als könnte ich mich kaum daran erinnern.
    Ich sagte steif: »Ich erinnere mich an die Klippe.«
    »Auf der anderen Seite, auf der großen Hochlandwiese, durch die wir gekommen sind– du erinnerst dich– habe ich Lichter gesehen. Drei oder vier Feuer.«
    Es lief mir kalt den Rücken hinab. »Vielleicht ein Jagdausflug.« Vor zwei Jahren hatte Jee einmal erwähnt, dass sein Vater, dessen Hütte in der Nähe der Grenze zum Seelenrankenmoor stand, mit einigen anderen Männern auf ›die lange Jagd‹ gegangen war.
    »Das ist möglich«, sagte Tom. »Oder es könnten Soldaten der Wilden sein.«
    Er lächelte, und ich erkannte meinen Fehler. Was ich für Ernst gehalten hatte und dann für Beunruhigung, war eigentlich Toms Art von stiller Aufregung. In gewisser Weise hieß er eine Verfolgung durch die Wilden willkommen. Für Tom Jenkins waren die Dinge zu ruhig gewesen.
    Ehe ich etwas sagen konnte, meinte er: »Ich habe die Seilbrücke mit meinem Messer zerschnitten. Daher können sie die Schlucht nicht da überqueren, wo wir es getan haben. Ist das nicht schlau?«
    »Ja, das ist schlau«, sagte ich mit jeglicher Begeisterung, die ich meinem betäubten Hirn abringen konnte. Die Männer des Junghäuptlings verfolgten uns… Ich spürte wieder das Seil um meinen Schädel, die grausamen Knoten, die sich mir in die Schläfen bohrten und meine Augen aus dem Schädel quellen ließen.
    »Ich behaupte, George wäre nicht eingefallen, die Brücke zu zerschneiden«, sagte Tom mit Befriedigung. »Oder, Peter? Oder doch? Und jetzt haben wir obendrein einen hübschen Vorrat Seil.«
    »Sehr schlau«, antwortete ich. Meine Lippen hatten Schwierigkeiten, die Worte zu bilden. »Wir müssen jetzt gehen.«
    »Gut.« Und dann zum ersten Mal: »Wohin gehen wir, Peter? Wird George da sein?«

12
    Ich sagte Tom nicht, wohin wir gingen, und er vergaß die Frage in der Aufregung, weil ein Hirsch aus der Deckung brach und keine zehn Meter vor uns vorbeihastete, von einem Wolf verfolgt. Tom stieß einen wilden Ruf aus und rannte ihnen hinterher, nur um keuchend und mit gerötetem Gesicht zurückzukehren.
    »Peter! Hast du das gesehen? Na?«
    »Ja. Was wolltest du tun, wenn du sie eingeholt hättest?«
    »Oh, ich hätte sie nie einholen können«, sagte Tom fröhlich. »Aber es macht Spaß, es zu probieren.«
    Kein Dummkopf. Ein Kind.
    »Ich hätte ihre Spur noch viel weiter verfolgen können, weißt du. Ich behaupte, ich bin der beste Spurenleser im Königinnenreich. Mein Vater, der alte Pisspott, glaubt mir das nie. Hat mich nie Spuren lesen lassen und nicht einmal hin und wieder jagen. Nur auf diese stinkenden Schafe aufpassen.« Seine Stimme wurde bitter. »Tom Schwachkopf hat er mich genannt. Tom Halbhirn. Nur wegen dem einen Mal, als John Crenshaw und ich… Ich hasse Schafe. Ich hoffe, dass seine alle die Schwarzfäule bekommen und er selbst bald erstickt. Peter, du hast keinen Vater, oder?«
    »Nein.«
    »Da hast du Glück. Deine Mutter ist

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