Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
die Luft ging.
Der zweite Wilde stieß einen Schrei aus und machte eine Vierteldrehung, um seine Waffe von mir weg auf die graue Gestalt zu richten. Bis dahin hatte der Hund den ersten Mann auf den Boden geworfen. Tom überbrückte die verbleibenden Schritte zwischen ihnen und packte den zweiten Wilden.
Als Schatten die vier Soldaten in dem Haus von Almsburg getötet hatte, war ich fort gewesen im Land der Toten. Ich hatte es nicht gesehen. Nun schien es, als wäre jede Sekunde gedehnt und ich würde das Geschehen außergewöhnlich detailliert wahrnehmen. Alles ätzte sich in mein Gehirn ein: der Hund, der sich über den gefallenen Soldaten beugte, anmutig wie ein Liebender, um seine Kehle zu suchen. Das Blut, das in einem starken Strahl hervorsprudelte, während die Augen des Soldaten nach hinten rollten und sein Körper vor Qualen zuckte. Der andere Wilde, der mit Tom rang. Der Zusammenstoß von starken Männerleibern, der Soldat der Ältere, aber Tom der Größere, der bereits sein Messer gezogen hatte. Sie fielen auf den Boden, so dicht an dem anderen Paar, dass das Blut bis zu Tom spritzte. Ich sah das Glitzern des Sonnenlichts auf seinem erhobenen Messer und den helleren Blitz, als das Messer niederging, und auf einmal vermengte sich dieses Bild in meinem Verstand mit einem Blitz, den ich einmal im Land der Toten gesehen hatte, als etwas Helles und Schreckliches den Himmel in dem Augenblick zerrissen hatte, als ich mit meiner gestohlenen Armee der Toten auf dem Pfad der Seelen zurückgekehrt war. Hell und schrecklich– hier und dort.
Dann war es vorbei, und Tom kam stolpernd auf die Beine, blutig und triumphierend. »He! Oh, verflucht, hast du das gesehen? Peter, alles in Ordnung? Wir haben sie erwischt, was, Schatten? He, Schatten, guter Hund!«
Ich sagte benommen: »Das ist nicht Schatten.«
Tom hörte mich nicht. Er tätschelte den Hund, knuffte ihn zum Spaß. Untersuchte die toten Wilden. Bewunderte seine eigene Tapferkeit. »He, schau, sie legen sich besser nicht mit uns an, das will ich dir schwören! Wir sind zu viel für sie, was, Schatten? Verflucht, Peter! Ich behaupte, dein Vetter George hätte es nicht besser machen können! Was meinst du, Schatten? Guter Hund, was für ein mutiger Kämpfer…«
»Das ist nicht Schatten.«
Dieses Mal hörte es Tom. Er hörte auf zu plappern, sah verwirrt drein und blickte dann auf den Hund hinab.
»Natürlich ist er das. Was hast du, Peter?«
Ich ging vor und stellte mich neben Tom. Der Hund blickte zu mir auf und wedelte mit dem Schwanz. Sein Maul war noch blutverschmiert. Ich wusste nicht, wie ich darauf kam, dass das nicht Schatten war. Dieser Hund hatte das gleiche graue Fell, den kleinen Schwanz und die graue Schnauze, die grünen Augen. Aber genauso wie ein Mann weiß, welche von zwei Zwillingsschwestern er geheiratet hat, wie ähnlich sie auch für andere aussehen mögen, wusste ich, dass dies nicht Schatten war.
Tom kniete sich hin. »Gib Pfote, Junge.«
Der Hund schaute mich weiterhin an und tat nichts.
Tom richtete sich auf. »Du hast recht, Peter, das ist nicht Schatten. Der hier weiß nicht, wie man Pfote gibt. Also, das ist eine merkwürdige Wendung! Zwei Hunde, die sich so ähnlich sehen und dir beide das Leben gerettet haben! Merkwürdige Wendung! He, jetzt haben wir zwei weitere Gewehre, und vielleicht haben die Bastarde auch Geld oder Essen bei sich!«
Merkwürdige Wendungen fochten Tom Jenkins nicht groß an. Wohingegen sie mir das Blut in den Adern gefrieren ließen und mich in meinen Träumen verfolgten.
Tom, der kein bisschen zimperlich war, durchsuchte die Taschen und das Gepäck der Leichen. Ich ging vor dem Hund in die Hocke und fragte leise und töricht: »Was bist du?«
Der Hund antwortete natürlich nicht. Was immer er sonst noch war, oder wo immer er hergekommen war, er war unzweifelhaft ein Hund. Er leckte mir die Hand, wedelte mit dem Schwanz und sprang hinüber zu Tom, als dieser bei einer der Leichen einen Brocken gebratenes Kaninchen fand, in sauberen Stoff eingewickelt.
Ich richtete mich auf. »Tom, es könnten noch mehr Wilde in der Gegend sein. Wir müssen gehen. Jetzt.«
»Ja… nur noch eine Minute, um mir… Verflucht! Silberstücke!«
Er streckte seine riesige Hand aus. Darauf lagen sechs oder sieben Silber des Königinnenreichs, auf denen noch Königin Carolines Bild eingeprägt war. Ihr hübsches Profil lag auf seiner schmutzigen Hand, zarte Silberlinien auf verschmiertem, trocknendem Blut.
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Jeden Tag
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