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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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und mein Herz zerriss vor Kummer um sie. Oder vor Verlangen nach ihr.
    »Weshalb willst du ins Königinnenreich gehen?«
    Sie schüttelte wieder nur den Kopf. Als Tom mit dem Wasserschlauch zurückkehrte, verschwand ihre Traurigkeit, wurde abgelöst von hektischen Nistaktivitäten, die einem Rotkehlchen alle Ehre gemacht hätten. »Danke, Tom. Wir haben noch ein paar Stunden Tageslicht. Hast du eine Axt? Nein? Schade. Nun, wenn du Äste abbrechen kannst, die so dick wie dein Handgelenk sind, werde ich Gräser von dieser Lichtung dort drüben als Dachstroh sammeln, und wir können das Dach bis zur Dunkelheit geflickt haben. Roger, wenn du die Feuerstelle aufräumst und Feuer machst, wäre das eine große Hilfe. Schick Wolle zum Jagen los. Ich habe neben dem Wasserfall ein paar wilde Zwiebeln wachsen sehen…«
    Ich sagte rauer, als ich beabsichtigt hatte: »Ich dachte, du wärst müde.«
    »Bin ich«, sagte sie ruhig, »aber diese Arbeit muss getan werden trotz all unserer Müdigkeit.«
    Die Worte und der Tonfall hätten von Maggie stammen können.
    »Natürlich muss die Arbeit getan werden!«, sagte Tom. »Wir sollten jetzt anfangen.« Er rannte hinaus, um Äste so dick wie seine Handgelenke zu suchen. Fia folgte ihm, ohne mich anzusehen.
    Ich blickte zum Herd, der voll alter Asche und Mäusedreck war, und dann begann ich, ihn mit meiner einen Hand zu säubern.
    Bei Einbruch der Dunkelheit war die Hütte vielleicht nicht gemütlich, aber zumindest bewohnbar. Wir schliefen drinnen neben einem richtigen Herdfeuer. Fia hatte uns bis nach Einbruch der Dunkelheit arbeiten lassen, und wir waren am Tag zuvor weit gelaufen, sodass wir alle drei schnell einschliefen. Aber gegen Morgen kamen die Träume. Nie zuvor hatten sich meine beiden schrecklichen Träume zu einem einzigen vermengt.
    Meine Mutter sitzt in ihrem lavendelblauen Kleid da und hat ein Kind auf dem Schoß. Ich bin sowohl der Zuschauer als auch das Kind, sicher und warm in den Armen meiner Mutter. Sie singt mir leise vor, ein Lied, in dem ich zuerst keine Worte verstehe. Dann werden die Worte deutlicher, und Roger dem Zuschauer gefriert das Blut in den Adern: »Stirb, mein Kind, stirb, stirb, mein Kleines, stirb, stirb …« Dann vergrößert sich der Blickwinkel, und ich sehe jene Mutter mit ihrem Kind draußen sitzen, in einem flachen Hochlandmoor bei Nacht. In meinem Mund der Geschmack nach gebratenem Fleisch, saftig und fettig. In den Schatten bewegen sich nicht menschliche Schemen und eine Frau; ihre Stimme dringt aus dem Dunkel unter dem Glitzern einer juwelenbesetzten Krone zu mir. »Roger. Hisaf .«
    »Aber du bist tot«, sage ich.
    »Tot seit elf Jahren«, sagt sie und lässt ein Lachen erklingen, bei dem mir die Knochen schaudern. Meine Mutter schreit: Nein nein nein nein …
    »Roger! Verdammt, wach auf!«
    Tom rüttelte an meiner Schulter. Fia lag schlafend da, in Toms Umhang gewickelt. Das Feuer war zu Glut heruntergebrannt, die ein trübes rötliches Licht auf Toms zorniges Gesicht warf.
    »Verdamm mich, wie soll ein Mann schlafen, wenn du hier so herumheulst? Und du hättest Fia wecken können, wo es ihr doch nicht gut geht!«
    »Es tut mir leid«, sagte ich erbärmlich. Der Traum wirbelte wie Galle durch meinen Verstand.
    »Nun, hör damit auf«, knurrte Tom. »Da bekommt man einen Schrecken!« Auf einmal wurde sein Gesicht aufmerksamer. Er war in der Nacht immer wacher als ich. »Roger, ich glaube, es ist an der Zeit, dass du mir das mit George erklärst. Und mit der Rebellion, die es nicht gibt.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich noch einmal. Allerdings hatte ich stundenlang Zeit gehabt, um meine Lügen vorzubereiten. »Aber denk einfach nach, Tom, ich habe dir nur einen Gefallen getan. Wir haben gewusst, dass die Wilden hinter mir her sind. Jeder von ihnen, der dein Gesicht gesehen hat, ist zwar schon tot. Aber wenn sie uns zusammen finden, werden sie dich genauso töten wie mich. Sie könnten dich sogar foltern, so wie sie es einst bei mir gemacht haben. Also…«
    »Also hast diese Katzenpisse-Geschichte über George erfunden, um mich weit weg in Sicherheit zu bringen?«
    »Ja.«
    Tom dachte darüber nach. Ich erkannte sogar in der Düsternis der Hütte den Augenblick, in dem er meine Geschichte als Wahrheit akzeptierte. Er hatte ein großzügiges und wenig argwöhnisches Wesen, und außerdem bewegte sich sein Gehirn so langsam, dass ihm beinahe alle Lügen davonlaufen konnten. Auf einmal erinnerte er mich an Cecilia, viel mehr als Fia. Er

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