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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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ausgehobenen Latrine und dann an eines der Kochfeuer, wo ein stiller Junge dicken Haferschleim in zwei Schalen goss und uns Krüge mit Bier aus einem der großen Fässer reichte. Der Wächter der Wilden beobachtete jede unserer Bewegungen, sein Gewehr in den Händen. Er beobachtete besonders Tom, der sich eher für den jungen Koch interessierte.
    »Bist du aus dem Palast entführt worden, Junge?«
    Der Junge blickte ihn an. Er war vielleicht vierzehn, in dem Alter, in dem ich Hartah getötet hatte. Der Junge sah aus, als könnte auch er morden. Er hatte kleine, eng zusammenstehende Augen, die vor Abscheu leuchteten, und ein verächtliches Grinsen auf dem breiten Mund. Toms Frage kam ihm eindeutig dumm vor. Dieser Junge war jemand, der sich immer auf die Seite des Siegers schlagen würde, ganz gleich, wer das sein mochte. Es gab andere wie ihn. Er wandte sich von Tom ab, ohne zu antworten, und fing an, den Haferschleimtopf mit Sand auszuscheuern.
    Wir waren die Letzten, die aßen. Der Treck machte sich bereits für die heutige Tagesreise fertig. Weit vorn taten Staubwolken kund, dass der Hauptteil der Armee schon unterwegs war. Hinter der Nachhut ging die Sonne rot und golden auf. Unser Wächter bedeutete uns, zurück in den Wagen zu gehen.
    »He, du«, sagte Tom zu ihm. »Wir können nicht den ganzen Tag dort drinnen bleiben. Mein… mein Meister braucht Bewegung. Kennst du das, Bewegung? Schau!« Er spielte vor, wie er an Ort und Stelle rannte, hochsprang, mit den Armen ruderte. Der Wilde richtete beunruhigt sein Gewehr auf ihn.
    Ich packte Tom am Arm. »Hör damit auf. Er glaubt, du greifst ihn an.«
    »Dann ist er ein Blödmann«, sagte Tom wütend. »Wenn ich ihn angreifen wollte, würde ich es tun. Hör zu, Peter, ich kann wirklich nicht den ganzen Tag in dieser Reiseschachtel bleiben. Ein Mann muss sich bewegen.«
    Ich musste mich nicht bewegen. Mir schien es, als hätte ich mich monatelang bewegt. Alles in mir war erschöpft: Muskeln, Verstand, Herz. Wo war Maggie? War sie in Sicherheit?
    Ich sagte: »Ich werde später nachfragen. Für den Augenblick, Tom, mach einfach, was sie sagen. Dazu würde uns auch George raten, wie du weißt. Tu alles, was der Feind will, bis der beste Augenblick gekommen ist.«
    Tom nickte ernst. »Ich denke, du hast recht. Nun, zumindest haben wir etwas zu essen bekommen.« Gleichgültig ging er zurück zum Wagen, wobei er vergaß, dass er mein Diener war und mir eigentlich folgen sollte. Der Wilde wirkte verwundert, führte uns aber wieder zurück nach drinnen.
    Jemand hatte sich ein wenig um den Wagen gekümmert. Die leeren Weinflaschen und Käserinden waren fort, an ihrer Stelle stand frisches Essen auf dem niedrigen Tisch. Der Nachttopf war ausgewaschen. Einer der Teppiche war wieder an der hinteren Wand des Wagens zusammengerollt worden.
    Der Soldat sperrte uns ein, und ein paar Augenblicke später fuhr der Wagen ruckelnd an. Tom schob den Vorhang zur Seite, um aus dem vergitterten Fenster zu schauen. »Ich frage mich, in welchem Wagen die Prinzessin steckt. Verdammt, wenn ich daran denke, dass Tom Jenkins eine Prinzessin sehen könnte! Oh, das muss ihr Wagen sein, der Purpurne. ›Purpur für die Prinzessin‹ hat mein Vater immer gesagt, verdammt sei seine schwarze Seele. Hat dir deine Großmutter erzählt, dass der Häuptling der Wilden das kleine Mädchen tatsächlich geheiratet hat? Sie sind Barbaren, das ist gewiss. Glaubst du, dass es in den Wohnwagen irgendwelche Mädchen gibt? Nicht dass ich mit einer Verräterin am Königinnenreich ins Bett gehen würde, aber wenn ein Mädchen gefangen wäre… Natürlich ist das nicht sehr wahrschein… Was ist das?«
    Tom sprang mit einer wilden Grimasse zum hinteren Teil des Wagens; eine Faust war geballt, die andere zerrte an dem zusammengerollten Teppich. Er rollte den Teppich mit einem Ruck aus und zog eine kleine Gestalt hervor, die zappelte und mit den Beinen strampelte.
    Es war Jee.

35
    Ich fragte sofort: »Ist Maggie bei dir?«
    »Nein.« Jee behandelte die Frage mit der Verächtlichkeit, die er ihr offenbar zumaß. »Maggie muss zurückbleiben.« Weitere Fragen brachten zum Vorschein, dass er sich während der Nacht ins Lager geschlichen hatte; Jee konnte sich so ungesehen und leise bewegen wie ein kleines Tier. Er hatte unter dem Wagen geschlafen, war hineingekrochen, während Tom und ich bei unserem kurzen Frühstück gewesen waren, und hatte sich im Teppich versteckt. Nun beäugte er das Essen auf dem niedrigen

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