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Das Land jenseits des Waldes, Band I

Das Land jenseits des Waldes, Band I

Titel: Das Land jenseits des Waldes, Band I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann
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von Lars konnte er ganz einfach nicht pissen. Ganz egal, wie viel Mühe er sich auch gab.
    Als Knars dann auch noch zu zittern begann und schon wieder ganz kurz davor stand, laut los zu heulen, hatte auch Lars ein Einsehen.
    Zusammen gingen sie zurück ins besser beheizte Arztzimmer und Lars wies Knars an, sich dort auf eine der Liegen zu legen, wo er versuchen sollte, sich erst mal ein wenig zu entspannen.
    »Ich hab das vorher oben bei der Wechselberger echt nicht so gemeint«, sagte er dann. »Wir sind hier doch alle echt total froh darüber, dass du zu uns kommst. Echt. Ganz ehrlich.« Dann legte er seine Hand auf Knars’ Schulter. »Jetzt werd mal wieder locker, wir alle helfen dir hier, damit du dich schnell eingewöhnst. Wir legen hier in Lohenmuld doch alle großen Wert auf partnerschaftliche Solidarität innerhalb unserer Gemeinschaft und ganz besonders auf Hilfsbereitschaft unseren neuen Mitgliedern gegenüber .«
    Knars musste schmunzeln. Lars war so ein fürchterlich schlechter Lügner. Dafür war er einfach von seiner ganzen Persönlichkeit her viel zu aufrecht, viel zu ehrlich. Vielleicht war er ja aber auch gerade deswegen vom Rechenberg als Assistent ausgesucht worden und nicht nur weil er als Rettungsassistent auch über fachliches Wissen verfügte.
    Als Knars laut lachen musste, merkte Lars sofort, dass er durchschaut worden war und grinste ebenfalls, aber ganz ohne es irgendwie lustig zu finden.
    »Alter«, sagte er dann und warf die Zeilen aus dem Lohenmulder Leitbild, das er noch gerade so inbrünstig zitiert hatte, damit mit frontaler Brutalität über Bord. »Fast alle hier bei uns kotzt es voll total an, wie der Tischi hier rausgeflogen ist. Weißt du eigentlich, dass er am letzten Dienstag Abend hier nur in seiner Unterhose über volle zwei Stunden da draußen im Flur elendig geflennt hat? Das war so was von übel. Und keiner hat sich um ihn gekümmert. Niemand von den Lehrern. Niemand von den Erziehern. Niemand von den Schülern. Alle Eltern und auch jeder von uns hier hat ja diese kompromisslose Vereinbarung mit den Drogentests unterschrieben und natürlich geglaubt, dass es nie jemand von uns treffen würde. Ich hab mich noch nie so schäbig gefühlt in meinem ganzen Leben!«
    Bei diesen Worten schlug Lars heftig mit der Faust auf die gepolsterte Liege.
    »Und dann! Schon fünf Tage später kommt irgend so ein Neuer natürlich ganz ohne Warteliste, und das obwohl Tischis Familie eh die ganzen Trimestergebühren bis zum Schuljahresende noch zu zahlen hat. Mann der Tischi war seit der siebten Klasse hier in Lohenmuld. Ich könnte nur noch kotzen! Scheiß Stiftungsrat. Und du kotzt mich von allen hier am meisten an, du blödes Arschloch! Erst verschwindest du für über zwei Stunden vollständig von der Bildfläche, während wir hier auf dich warten. Und dann zickst du hier jetzt auch noch rum. Also ich glaub’ ja nicht, dass du hier bei uns alt wirst. Am besten haust du gleich von selber wieder ab. Du dreckiger Wichser!«
    Dann holte Lars dreimal ganz tief Luft und hatte sich danach sehr schnell wieder unter Kontrolle. Er wusste genau, dass sich so ein Ausbruch, wie er ihn gerade eben hingelegt hatte, für den Schloßsprecher hier in Lohenmuld ebenso wenig ziemte wie für jeden einfachen Mulder, der sich an die im Leitbild festgelegten Regeln von Verständnis, Toleranz und damit an die grundlegenden Selbstverständlichkeiten und elementaren Voraussetzungen für ein harmonisches Zusammenleben in einer sozialen Gemeinschaft zu halten hatte. Aber jetzt war es halt nun mal einfach schon passiert und das war auch irgendwie gut so.
    »Also. Nachdem das jetzt geklärt ist«, sagte Knars dann leise, sogar irgendwie erleichtert und ohne jeden Anflug von Bitterkeit, »können wir dann bitte noch mal zusammen mit dem Becher da hinten rein gehen und es noch mal versuchen? Das mit der Pisserei mein ich.«
    Lars schluckte kurz. Wie der neue Schüler seinen Wutausbruch einfach so weggesteckt hatte, nötigte ihn schon zumindest ein gewisses Quantum an Respekt ab. Und keine zwei Minuten später hatte er dann tatsächlich seine Urinprobe.
    Keine Minute zu früh jedenfalls, denn schon kam Rechenberg wieder zur Türe hereingestürmt.
    Erfreut blickte er auf den gut gefüllten warmen Becher in Lars’ Hand. Offenbar hatte er bei diesem neuen Schüler hier mit weit größeren Problemen gerechnet und eine weitere Verzögerung daher schon einkalkuliert.
    »Wenn man Verantwortung nicht nur für sich selbst sondern

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