Das Land jenseits des Waldes, Band I
deren Licht die Farbschattierungen gegenüber dem Tageslicht nicht verfälschte, die verschiedenen Farbskalen genau mit einander abglich. Er tat dies noch ein zweites Mal. Und dann noch ein drittes Mal.
Knars sah sich in Gedanken schon morgen in aller Herrgottsfrühe mit dem ersten Zug von Königshofen nach Hause aufbrechen, obwohl er natürlich ganz genau wusste, dass ihm im unwahrscheinlichen Falle eines Falles erst einmal eine Bewährungsfrist zugestanden werden würde.
Dann drehte sich Rechenberg um.
»Alles negativ«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Das war’s dann erst mal. Die Blutprobe macht dann Frau Doktor Kummerfeld am Dienstag.« Er packte die drei Proben fürs Labor in eine Tasche und machte sich wieder auf den Weg hinüber in sein Haus. So kam er nun doch noch rechtzeitig zu seinem geschätzten Tatort . Was seine Laune deutlich steigerte.
Lars räumte im Labor zusammen, während sich Knars draußen im inzwischen ungemütlich abgekühlten Flur wieder seine Sachen anzog. Lars schloss ab und zusammen gingen sie noch mal hinauf in Frau Professor Wechselbergers Büro. Eventuell gab es dort ja ein weiters Glas Portwein zu genießen.
06 Phillip
I m Besprechungszimmer von Frau Direktor Professor Wechselberger gab es an diesem Abend kein weiteres Glas Portwein mehr. Und das war wohl auch gut so.
Angesichts der bereits vorgerückten Stunde und in Anbetracht der Tatsache, dass Knars gleich nachher noch am Abendessen teilnehmen sollte, kam Frau Professor Wechselberger unmittelbar zur Sache. Während Knars unten beim Drogentest gewesen war, hatte sie bereits die auf seine Vorkenntnisse und seine bisherige Fremdsprachenfolge maßgeschneiderten Unterrichtspläne ausdrucken und nach unten in sein neues Zimmer schicken lassen.
Knars hatte eigentlich keine richtigen schulischen Schwächen oder wirklichen Problemfächer. Er verfügte vielmehr über eine breite, vielschichtige Begabung, konnte, wenn er sich reinhängte praktisch in jedem Fach auf eine Zwei kommen. Egal ob Sprachen, Mathematik oder Naturwissenschaften. Was vielleicht fehlte, war ein Fach, in dem er wirklich absolute Spitze war, was Frau Professor Wechselberger dann auch anmahnte. Knars sollte ruhig einmal anstreben, in einem einzelnen ausgesuchten Fach auch wirklich einmal bis an die äußersten Grenzen seiner eigenen Leistungsfähigkeit zu gehen, selbst wenn dann womöglich aus einer 2.1 nur eine 1.6 wurde, was sich in diesem Jahr dann jeweils in beiden Fällen mit gut im Zeugnis niederschlagen würde. Es war die Bereitschaft zur Anstrengung, der Wille zur Leistung, der hier zählte. In der nächsten Woche würde man dann diesbezüglich weiter sehen.
Knars nickte folgsam.
Dann telefonierte Frau Professor Wechselberger nochmals, nachdem sie eine kurze Nummer in die Tastatur gehämmert hatte. Phillip sollte schnell heraufkommen und ihm dann sein neues Zimmer zeigen.
Knars bedankte sich daraufhin höflich, griff seine Jacke und schleppte seine Tasche hinaus auf den Flur.
Jetzt war er wirklich scheißnervös. Gleich würde er nun endlich die Leute kennen lernen, mit denen er die nächsten Monate oder auch Jahre eng zusammenleben würde. In die Hoffnungsfreudigkeit seines eigentlich optimistischen Wesens mischte sich nun aber die pure Angst. Was, wenn er mit diesen Leuten hier nicht klar kam? Wenn sie ihn schon allein deshalb alle übel auflaufen ließen, nur weil er den freigewordenen Platz vom Tischi übernommen hatte?
Obwohl er seit heute morgen um sieben Uhr nichts mehr gegessen hatte, war ihm plötzlich speiübel und er hatte Angst, dass seine Beine auf einmal unter ihm wegklappen könnten. Er musste unbedingt und ganz dringend etwas essen. Jetzt. Jetzt gleich. Dumm nur, dass die Haselnuss-Schokoriegel, die er sich für so einen Fall extra eingepackt hatte, nun irgendwo da draußen im verloren gegangenen schwarzen Stoffbeutel im Nebel am Straßenrand, im Wald oder sonst wo lagen. Zum Glück standen hier vor der Tür zum Sekretariat von Frau Professor Wechselberger wenigstens zwei billige Klappstühle aus Kunststoff, auf die sich Knars fallen lassen konnte.
Dann bog auch schon der herbei zitierte Phillip um die Ecke. Phillip war der Haussprecher von Haus Nummer Fünf , in das Knars einquartiert worden war. Haus war dafür aber eigentlich eine irreführende Bezeichnung, denn die im Schloss angesiedelten sechs Häuser für die Oberstufenschüler waren im wesentlichen sehr große voneinander abgetrennte Wohnungen, jeweils mit einer
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