Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Land jenseits des Waldes, Band I

Das Land jenseits des Waldes, Band I

Titel: Das Land jenseits des Waldes, Band I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann
Vom Netzwerk:
hängten, hörte man wie Lars dreimal kräftig auf den Gong im Speisesaal schlug.
    Gemächlich stellten die Mulder ihre Gläser ab und schlenderten durch eine offene Flügeltüre hinüber.
     
     
    Dort waren die Tische in einem großen offenen Quadrat aufgestellt. Und wegen des besonderen Anlasses wiesen heute Tischkarten jeden Mulder seinen Platz innerhalb einer festen Sitzordnung zu.
    Zi-Nr. 05002 Nachfolger Tischi
    stand so also auf der Karte vor Knars’ Platz.
    Jan wurde rechts neben ihn gesetzt.
    Zi-Nr. 05002 Jan
    Links neben Knars Phillip, der Haussprecher von Haus Nummer Fünf.
    Zi-Nr. 05010 Phillip, Cpt. d’ Maison V
    Knars wollte sich schon hinsetzten, doch Jan zupfte ihm am Ärmel seines Hemdes und bedeutete ihm so, er solle vorerst, wie alle anderen Mulder noch stehen bleiben.
    Als Lars dann zweimal auf den Gong schlug, kamen die Lehrer und Erzieher herüber, die direkt im Schloss lebten. Sie hatten ihren eigenen Tisch in einer dezent abgegrenzten Nische am vorderen Ende des Speisesaals. Erst als sie alle Platz genommen hatten, setzten sich auch die Mulder .
    Daraufhin ging auch Lars zu seinem Platz und läutete mit einer kleinen silbernen Glocke eine erste Schweigephase an diesem Abend ein, damit der Lohenmulder Küchenchef in Ruhe die heutige Speisenfolge vorstellen konnte.

    Nicholas Hofer, ein hochtalentierter junger Mann aus Südtirol und damit nur wenige Jahre älter als die ältesten unter den Lohenmulder Schülern leitete seit Anfang des vergangenen Jahres die Küche von Schloss Lohenmuld.
    Somit war er am gesamten Schloss der am besten bezahlte Angestellte. Selbst noch besser bezahlt als Frau Professor Wechselberger, die ihn gleich zum Beginn ihrer Amtszeit engagiert hatte. Ganzheitliche Erziehung ließ man sich hier am Schloss wirklich etwas kosten. Fürwahr. Und auch kritische Kollegen in Stiftungsrat und Lehrerschaft hatten dies nach anfänglichen Grummeln mittlerweile eingesehen.
    Die Kunst von Nicholas Hofer , der im Schlossjargon inzwischen nur noch in schlichter Bewunderung Il Maestro gerufen wurde,bestand darin, neben hochkarätigen Abenden wie heute, die zweimal im Monat stattfanden oder wenn das Schloss etwa in den Trimesterferien für exklusive Veranstaltungen anderer Art genutzt wurde, auch alltagstaugliche Menüs zu kreieren, die jedoch nichts mit einem gewöhnlichen Kantinenessen zu tun hatten, auch wenn sich die Mulder mittags dazu ihre Teller mit einem Tablett von einer Büffettheke abholten. Ein Spagat, den er bislang immer glänzend gemeistert hatte.
    Dürr mit Brille und einer offenen Trainingsjacke, die er sich schnell über sein T-Shirt geworfen hatte, kam Nicholas Hofer den kurzen Weg von der Küche herüber.
    Heute gab es im wahrsten Sinne des Wortes das Remake eines legendären Dinners, das einst am 24. November 1899 in Windsor Castle zelebriert worden war . Fünf Gänge. Plus Dessert.
     
    Im einzelnen sollte nun gleich serviert werden:
     
    Consommé à la Portugaise.
    Purée Madeleine.
     
    Cabillaud, sauce aux huîtres.
    Filets de Merlans frits, sauce Anchois.
     
    Quenelles à la Régente.
    Ballotines de Canard à la Cumberland.
     
    Boef braisé à la Hussarde.
    Gigot d’Agneau rôti.
     
    Faisans.
    Pommes de terre en rubans.
     
    Pain d’Epinards à la Maître d’hôtel.
    Profiteroles au chocolat.
    Tartelettes à la Suisse.
    Mehlspeise mit früchten.
     
    Obwohl Nicholas jeden Gang einzeln kurz erläuterte und dabei ausführte, wo aus Kostengründen bei den ursprünglich vorgesehenen Zutaten etwas variiert hatte werden müssen, konnte Knars mit dem ganzen Zeugs insgesamt nur sehr wenig anfangen. Was vielleicht auch nicht zuletzt daran liegen konnte, dass sein Französisch schlicht und ganz einfach nicht gut genug war.
    Bei den kleinformatigen Speisekarten, die an jedem Platz neben den Tischkarten aufgestellt waren, hatte sich Nicholas heute eines kleinen Kunstgriffes bedient. Er hatte im Format 18x12 cm einfach farbige Reproduktionen des Originalmenüplans von 1899 verwendet. Wenn Herr Doktor Waldfogel also wieder Unzulänglichkeiten in der französischen Orthographie zu bemängeln gehabt hätte, wären diese heute Abend zu Lasten der einstigen Hofbeamten Königin Victorias gegangen und eben kein weiterer peinlicher Fehler von Nicholas gewesen.
    Knars musste diesbezüglich insgeheim grinsen. Zum Dessert war unter anderem auch ein deutsches Gericht vorgesehen und der Name war auf dem britischen Originaltableaux prompt falsch geschrieben. Herr Doktor Waldfogel

Weitere Kostenlose Bücher