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Das Land jenseits des Waldes, Band I

Das Land jenseits des Waldes, Band I

Titel: Das Land jenseits des Waldes, Band I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann
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Erziehung anzusehen. Der passende Wein zur richtigen Speisenfolge. Stilsicherheit in Geschmacksfragen. Und all so Zeugs halt.
    Obwohl Knars vorher in seinem Zimmer ein extrem fettes Sandwich und einen fast schon kriminell kalorienhaltigen Schokoladenriegel zu sich genommen hatte, hatte er nicht, wie er am Anfang vielleicht befürchtet hatte, Probleme all die ganzen fünf Gänge bis zum Dessert zu absolvieren.
    Fast schien es so, als wolle sein hungriger Körper seiner im Lauf des heutigen Tages reichlich durchgeschüttelten Seele ein Schnippchen schlagen und mit seinem großen Appetit dafür sorgen, dass er für die kommenden Tage hier in Lohenmuld irgendwie bei Kräften blieb.
    Natürlich war es aber auch so, dass ein Menü von dieser Qualität, wie es der Maestro hier kreiert hatte, von einer Leichtigkeit war, die auch nach fünf Gängen weder dick noch unangenehm voll machte. Eine Tatsache, der übrigens die nicht gerade wenigen Leistungssportler hier am Schloss, Lohenmuld war ja schließlich auch eine so genannte Stützpunktschule, Rechnung zu tragen hatten, wenn sie ihre leeren Kohlenhydratspeicher am Mittag vor einem solchen Menü vorsorglich mit reichlich Lasagne vorbeugend auffüllten.
    In der Abräumphase vor dem Dessert läutete Lars mit seiner kleinen silbernen Glocke erneut die übliche Schweigezeit ein. Er ging aber heute nicht wie an normalen Tagen hinüber zum Gong an der Seite des Speisesaals. Heute verlas er von seinem Platz aus die üblichen Bekanntmachungen. Unter anderem war die in der vergangenen Woche im Sportzentrum entwendete Telefonkarte wieder aufgetaucht. Allerdings ohne Restguthaben. Der Übeltäter hatte sich offenbar noch spät am Abend bei Lars gemeldet. Augenscheinlich gab es aber besondere Umstände, die ihn davor bewahrten, sich jetzt hier vor allen anderen Muldern outen zu müssen. Oder er hatte Herrschaftswissen über Lars oder einen der anderen Haussprecher ? Ihn etwa mit einer der hier gar nicht erlaubten Handykameras heimlich bei irgendetwas sehr Privatem oder bei irgendwelchen besonders für einen Jungen wirklich echt peinlichen Dingen gefilmt, die aber genau genommen erst dadurch wirklich schlimm oder peinlich wurden, eben weil sie in eine Videodatei gebannt und so haltbar gemacht wurden und damit nicht mehr im geschützten Raum der Privatsphäre des Betroffenen verblieben, in der jener flüchtige Moment dann auf diese Weise wieder genau so schnell entschwinden konnte, wie er gekommen war. Genaues wusste man nicht. Und unzufriedenes Gegrummle setzte unter den anwesenden Muldern ein, als Lars die leer telefonierte Karte ihrem Besitzer, einem sehr sportlich wirkenden Mulder an den Tisch von Haus Nummer Vier hinüber brachte. Diese Inkonsequenz passte nicht zu Lars und auch nicht zu den Muldern hier oben am Schloss. Überhaupt nicht. Da bestand Erklärungsbedarf. Es musste darüber noch näher gesprochen werden. Hier jetzt und gleich.
    So gesehen durfte es Lars ganz und gar nicht ungelegen gewesen sein, dass in genau diesem für ihn nicht unkritischen Augenblick Frau Direktor Professor Wechselberger in den Speisesaal kam. In ihrer Hand trug sie eine stilvoll mit dem Lohenmulder Wappen verzierte Papiertüte.
    Augenblicklich erhoben sich alle Anwesenden. Auch diejenigen am Lehrertisch.
    Als nach einer freundlichen Handbewegung von Frau Professor Wechselberger wieder alle Platz genommen hatten, räusperte sie sich kurz ihre Stimme frei.
    »Vielen Dank Lars, dass ich hier kurz stören darf. Ich denke, wir alle hier waren in der letzten Woche ziemlich besoffen darüber, dass uns der liebe gute Andreas so plötzlich und unerwartet verlassen musste. Aber es gab schlicht und einfach keine andere Möglichkeit mehr. Ich denke jedoch auch, dass ein jeder hier ihm für seinen weiteren Lebensweg nur wirklich das Beste, das wirklich Allerbeste wünscht. Ich glaube da sind wir uns ja alle einig. Er war für jeden hier in Lohenmuld all die Jahre, die er hier verbracht hat, eine große Bereicherung, ein Vorbild an Leistungsbereitschaft und seine sportliche Disziplin legendär, jederzeit eine ganz persönliche Inspiration für uns alle hier.«
    An dieser Stelle spendeten alle Mulder spontanen und wohl auch ehrlichen Beifall.
    Nur Jan zupfte Knars dezent am Ärmel.
    »Nach so einer Beerdigungsrede wird’s für dich gleich jetzt nicht unbedingt einfacher«, warnte er seinen neuen Zimmerkameraden schon einmal vor.
    Dann kramte Frau Professor Wechselberger umständlich einen der offiziellen blauen

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