Das Land jenseits des Waldes, Band I
Dusche und eine eigene Badewanne, in der dann wohl insbesondere die Leistungssportler unter den Muldern ihre strapazierten Muskeln in der Wärme des sie ungebenden Wassers weitaus besser regenerieren konnten als dies unter den Strahl einer Dusche der Fall gewesen wäre. Jedoch dauerte es immer mehr als nur eine kleine Weile, bis die Belüftung mit der Feuchtigkeit fertig wurde und man nach einer ausgiebigen Dusche wieder klar sehen und atmen konnte. Deshalb gingen gar nicht so wenige der Mulder hier aus dem Haus auch weiterhin ganz gerne zum Duschen hinunter in den alten Duschraum, unten am Ende des Korridors. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten mit uralten verblichenen mosaikartig angeordneten Steinfließen und grauen steinernen Becken unter den Duschköpfen. Ein Ort wie ein lebendiges Museum, an dem sich sehr anschaulich und auch äußerst plastisch ermessen ließ, wie hart und wie spartanisch das Leben in der Gemeinschaft hier am Schloss einst für ihre Vorgänger vor vielen, vielen Jahren gewesen sein musste. Manche unter den heutigen Muldern schätzten aber eben auch genau dieses Gemeinschaftserlebnis und den Geist des alten Internatslebens, bevor auch hier am Schloss die wohl insgesamt unvermeidlichen Verweichlichungstendenzen mit dem Luxus eigner komfortabler Bäder Einzug gehalten hatten und als man noch barfuss und mit einem Handtuch um die Hüften über den kühlen Boden draußen im zügigen Korridor hinunter zum Duschen beziehungsweise in den gemeinschaftlichen Waschraum oder auf die alten Toiletten zum Pissen ging.
Oder war diese vermeintliche Nostalgie nur schlicht und einfach der Tatsache geschuldet, dass ihr jeweiliger Zimmerkamerad oft ewig im zimmereigenen Bad auf dem Klo saß und man dann in dem Mief, mit dem die Klimaanlage gewöhnlich erst nach einer halben Stunde fertig wurde, dort echt einfach nicht mehr selbst duschen wollte? Auf jeden Fall war es nicht nur für Hausgäste sehr praktisch, dass es auch die alten Toiletten unten neben dem Alten Duschraum noch weiterhin gab, insbesondere dann, wenn der jeweilige Zimmerkamerad das eigene Bad womöglich gefühlte Stunden lang blockierte und trotz aller Gepflogenheiten hier am Lohenmulder Schloss einfach sein Bedürfnis auf eine gewisse Zeit des wirklichen Alleinseins, einer wirklichen Privatheit ohne Rücksicht auf seinen Mitbewohner hinter einer abschließbaren Badezimmertüre durchsetzte.
Knars richtete sich das Kissen unter seinem Nacken und kickte seine Schuhe auf den Boden. Langsam, sehr langsam am Ende dieses ereignisreichen Tages entspannte er sich endlich.
»Du wirst für ein paar Tage noch in Tischis alter Bettwäsche schlafen müssen«, beendete Jan das gemeinschaftliche Schweigen der beiden. »Der nächste Putznachmittag ist erst wieder am kommenden Freitag. Vorher gibt’s leider keine Möglichkeit zu einem vorzeitigen Wäschewechsel.«
Knars nickte und drehte sich zur Wand. Obwohl es noch eine geraume Zeit bis zum Lichtlöschen war, fühlte er doch allmählich Müdigkeit in sich aufsteigen. Es war ganz so, als wolle sich nun sein Geist, nachdem der Körper sich vorhin im Speisesaal schon ausgiebig selbst versorgt hatte, vor der drohenden seelischen Erschöpfung in einen Kräfte spendenden Schlaf flüchten.
»Du brauchst dir aber deswegen nun wirklich keinerlei Sorgen zu machen«, sagte Jan weiter. »Tischi hat als Sportler ja so gut wie jeden Tag ausgiebig geduscht und soweit ich’ s weiß, hat er auch noch nie ins Bett gepisst. Ist mir jedenfalls nicht bekannt. Und wenn er sich bei seinem komischen Sport mal im Rücken oder sonst wo irgendwas verzogen hatte, hat er auch schon mal einfach nur mit ’ner Decke auf dem Boden neben seinem Bett gepennt.«
Knars brummte zustimmend, wollte so wortlos signalisieren, dass dies für ihn ohnehin kein Problem sei. Sein Blick fiel dabei auf die riesige holzgefasste Korkpinwand über seinem Bett. Jemand hatte dort bereits seinen ausführlichen schulischen und außerschulischen Tagesplan für morgen und den Rest der Woche aufgehängt. Er versuchte sich die Kurse für morgen einzuprägen, um sich irgendwie darauf einzustellen, obwohl er ja weder seine neuen Lehrer noch die neuen Mitschüler kannte, aber seine Energie an diesem Tag war einfach verbraucht. Und so drückte er sein Gesicht seitlich ins Kissen.
Jan merkte dies sehr schnell und rüttelte seinen neuen Zimmerkameraden aus dem beginnenden Halbschlaf wieder zurück ins Neonlicht der Zimmerdeckenbeleuchtung.
»Mann. Alter.
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