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Das Land jenseits des Waldes, Band I

Das Land jenseits des Waldes, Band I

Titel: Das Land jenseits des Waldes, Band I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann
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brummte er dann noch mit latenter Boshaftigkeit. »Aber vielleicht wachsen mir irgendwann ja auch noch einmal so schöne Haare auf der Brust wie bei dir, wenn ich mal lang genug hier gewesen bin. Und jetzt hau’ endlich ab. Schleich’ dich. Ich muss schlafen.«
    Knars hatte die Decke wieder hochgezogen und war sofort wieder ins Reich seiner Träume abgedriftet. Jan ging daraufhin erst einmal zum Rauchen hinaus in den Innenhof. Danach würde man weiter sehen. Der Neue machte nun schon wieder Zicken. Und dazu wurde er auch noch frech.
     
    Wenn Knars ein wirkliches schulisches Problem hatte, dann war es das, morgens pünktlich aus dem Bett zu kommen. Jeden Tag ein neues Drama. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wenn er am tiefsten schlief, sich am besten erholte, ausgerechnet dann sollte er aufstehen, um in die Schule zu fahren. Das war brutal. Das war menschenverachtend. Das war gegen die gottgegebene Ordnung der Natur, die Jungs in seinem Alter eben nun halt einmal mit einem Schlafbedürfnis ausgestattet hatte, das mit normalen Stundenplänen nicht in Einklang zu bringen war.
    Zuhause schlief er dann immer wirklich bis zum allerletzten Drücker. Sprang ohne Zähneputzen, ohne Frühstück hektisch in seine Kleider und raste mit seinem Fahrrad praktisch querfeldein unter der Benutzung aller legalen und auch illegalen Abkürungen hinüber in seine alte Schule. Zu spät kam er aber meistens trotzdem und wurde trotz seiner ganzen Mühen, die er immerhin auf sich genommen hatte, fast immer auch noch umgehend gerüffelt. Oder er durfte dann gleich verschwitzt und noch schwer atmend vorne an der Tafel bleiben, um seinen Mitschülern die Lösungen der letzten Hausaufgabe selbst näher bringen. Das gelang ihm aber selten. Es war halt einfach viel zu früh, um auch nur halbwegs vernünftig denken zu können.
     
    Für dieses Problem, das gar nicht so wenige Jugendliche in Knars’ Alter mit ihm teilten, gab es hier in Lohenmuld eine einfache und dabei sehr effektive Abhilfe. Die müden Jungs wurden direkt aus dem Bett hinaus zum Laufen eine Runde rund ums Schloss gescheucht. Bei jedem Wetter. Zu jeder Jahreszeit. Egal bei welchen Außentemperaturen. Bei jeder Form von Nebel.
    Und obwohl die Sonne am heutigen trübkalten Novembertag erst gegen 07:40 Uhr aufging, nannte man diese Form den Muldern den Schlaf aus allen Gliedern ihres Körpers zu treiben, seit einiger Zeit Sunrise Run . Das klang gut. War positiv besetzt. Klang nach Kalifornien, Florida, Bodi Beach oder Ibiza. Und Popmusik. War aber kein bisschen weniger hart wie früher als dieses Ding Frühlauf, Morgenlauf oder sonst wie gerufen wurde.
    Aber Herr Trietz, als großer Menschenfreund und als der Humanist, der tief versteckt in seinem inkompetenten Innern dahin schlummerte, hatte für sein Haus Nummer Fünf diesbezüglich eine eigene Regelung geschaffen. Bei ihm wurden seine Jungs nicht in aller Herrgottsfrühe um das gesamte Schloss gejagt, sondern sie bewegten sich nur eine kurze Runde um eine eingefasste Bepflanzung unterhalb der Feuertreppe. Das dauerte maximal zwei Minuten statt der in anderen Häusern üblichen fünfzehn bis zwanzig Minuten rund ums Schloss. Daher wurden die Mulder in Haus Nummer Fünf auch erst um 06:15 geweckt. Konnten also eine Viertelstunde länger schlafen als die meisten ihrer Mitschüler. Sie mussten sich dafür aber von den ganz harten unter den anderen Muldern ,insbesondere von denjenigen aus Haus Nummer Eins (Hausvorstand : Herr Doktor Schmitt) und mit Abstrichen auch von den Bewohnern von Haus Nummer Vier als verweichlichte Schlappschwänze und Warmduscher bezeichnen lassen.
    Herr Trietz mochte zwar sein pädagogisches Halbwissen gepaart mit seiner immer noch oft unzureichenden praktischen Erfahrung als Hausvorstand gelegentlich gar allzu aufdringlich vor sich her tragen, aber manchmal war er eben doch um so viel schlauer wie seine hoch dekorierten Kollegen. Erst einmal durften seine Mulder draußen während der Runde auch ruhig rauchen, was die ganze lästige Sache insbesondere auch für Jan schon um einiges erträglicher, wenn nicht gar zum Genuss machte.
    Und noch nie hatte es in Haus Nummer Fünf in Schloss Lohenmuld, diesbezüglich Aufstände, Rebellion oder gar eine offene Meuterei bis hin zur lautstarken Totalverweigerung gegeben, weil manche Mulder es einfach nicht akzeptieren konnten, früh um sechs aus ihrem Bett direkt hinaus in die eiskalte Landschaft gescheucht zu werden. Und für diesen hirnamputierten Schwachsinn sollten

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