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Das Land jenseits des Waldes, Band I

Das Land jenseits des Waldes, Band I

Titel: Das Land jenseits des Waldes, Band I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann
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allmächtige Stiftungsrat hier bei der Schülerauswahl doch endlich einmal wieder eine glückliche Hand bewiesen? Würde ihn zwar sehr wundern aber doch freudig überraschen, wenn dem so wäre.
    »So. Los. Auf geht’s.« Mit sanften Druck auf die Schulter schob Herr Trietz Knars hinaus auf die nachträglich am Haus angebrachte metallene Feuertreppe.
    Und die ging eng und steil hinunter. Dabei war es stockdunkel und noch immer über eine volle Stunde Zeit bis zum Sonnenaufgang. Knars musste sich sehr konzentrieren, um auf den feuchten Metallstufen im Dunkeln nicht womöglich auszurutschen. Beide Hände am Geländer. Links und rechts, den Blick starr nach unten gerichtet. Aber jetzt war er sich absolut sicher, genau das Richtige zu tun. Die Winde standen günstig für ihn. Im Gegensatz zu gestern würde das heute sein Tag werden.
    Unten im nordwestlichen Teil des Schlossgartens warteten bereits komplett versammelt alle anderen Mulder aus seinem Haus. Oben von der Treppe aus klatschte Herr Trietz nun in seine Hände und gab damit das Zeichen zum Start.
    »Und los geht’s! Abmarsch.«
    Langsam und mit einer Gemächlichkeit, die der frühen Stunde angemessen war, setzten sie sich rund um eine mit schlichten Holzzäunen abgegrenzte Bepflanzung in Bewegung. Ein früherer Herzog von Lohstein hatte hier einst vor vielen Jahren sehr zahlreich kleine Bäume angepflanzt, die er von seinen vielen Reisen in weit entfernte Regionen dieser Erde mit nach Lohenmuld zurückgebracht hatte. Da dieser Teil des Gartens durch das Schloss zum See hin schützend begrenzt wurde, war er dafür besonders geeignet, auch Pflanzen zu beherbergen, denen sonst das Lohenmulder Klima zu schaffen gemacht hätte.
    Sie hatten fast schon die halbe Strecke zurückgelegt. Erst jetzt erhob Knars seinen Blick und bemerkte, dass alle anderen Mulder ohne Ausnahme dicke Trainingsanzüge, Schals und Mützen trugen. Manche hatten sich vorher sogar noch eine extra wärmende Snowboarderjacke darüber gezogen. Phillip und Jan trugen sogar Handschuhe, Jan jedoch nur über seiner linken Hand, da er die Rechte zum Rauchen brauchte.
    Obwohl Jan ihm gestern vor dem Essen schon den einen oder anderen seiner Lohenmulder Hauskameraden vorgestellt hatte, konnte Knars ihre Gesichter hier im seichten Licht der sparsamen Außenbeleuchtung nicht mehr zuordnen. Das würde wohl noch einige Tage dauern. Und so wusste er dann auch nicht zu sagen, zu welchem jeweiligen Namen all die verschlafenen Gesichter gehörten, die ihm von vorne unverfroren grinsend auf seine von innen ziemlich ausgebeulte Unterhose starrten.
    Denn da Knars nach dem Aufwachen heute früh bislang immer noch nicht zum Pissen gekommen war, konnte jeder der Teilnehmer dieses heutigen Sunrise Walk, der es denn auch sehen wollte , klar und vor allem sehr deutlich erkennen, wie sehr sich Knars’ Unterhose an ihrer vorderen Stelle gut gefüllt ausdehnte. Das war zwar ein rein mechanischer Vorgang, der nichts, aber auch wirklich rein gar nichts zu bedeuten hatte, der die anderen Mulder aus seinem Haus natürlich aber durchweg zu amüsieren schien, auch wenn dabei selbstverständlich keinerlei blöden Sprüche fielen. Man war als Mulder hierja schließlich den Verhaltensregeln aus dem Lohenmulder Leitbild verpflichtet. Natürlich auch dann, wenn der Morgen erst in gut einer Stunde graute.
    Aber das kollektive Schweigen all der anderen Mulder empfand Knars in diesem Moment fast noch schlimmer, als wenn der eine oder andere unter ihnen vielleicht einen saublöden, aber dann doch wenigstens ehrlich gemeinen spätpubertären Spruch los gelassen hätte. So blieb alles irgendwie in diesem seltsamen Schwebezustand. Indifferent. Sozial undefiniert. Und Knars wusste wieder einmal nicht, woran er war.
    Komischerweise spürte er die Kälte nicht. Komischerweise spürte er auch die Nässe nicht. Was ihm aber wirklich zu schaffen machte, war allein diese frühmorgendliche Dunkelheit. In diesem Licht zu dieser Stunde marschierte man einfach nicht in irgendwelchen Gärten herum. Das war ja fast schon unnatürlich. Grenzwertig pervers. Um diese Zeit lag man einfach in seinem Bett. Und damit basta.
    Auch Jan und Phillip liefen ohne ein Wort inmitten der Gruppe und schwiegen, während die Lohenmulder Luft ihren Atem in dampfenden Nebel verwandelte. Bei Jan wohl auch insbesondere deswegen, weil er dabei mit dem Konsum einer weiteren seiner Zigaretten beschäftigt war.
    Als Knars dann beim Rückweg zur Treppe urplötzlich und ohne jede

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