Das Land zwischen den Meeren
Liebesbezeugungen.
Ablenkung von ihren trübsinnigen Gedanken erhielt sie durch Elisabeths Briefe, die inzwischen wieder genesen war und mit ihrem befreundeten Arzt die Halbinsel Guanacaste bereiste. Elisabeth berichtete von einem Kloster, in dem Nonnen alte und kranke Indiofrauen pflegten. Die Schwester, die die Krankenstation geleitet hatte, war gestorben, und es hatte sich noch keine Nachfolgerin gefunden. Aus diesem Grund hatte der Freund dort für einige Wochen als Arzt ausgeholfen, und Elisabeth hatte ihm assistiert. Die bescheidene Art und die Dankbarkeit der Frauen hatten sie zutiefst beeindruckt. Die Freundin überlegte, was sie mit ihrem Leben in Zukunft Sinnvolles anfangen sollte. Elisabeth hatte ihren Besuch auf der Hacienda für den Beginn des neuen Jahres angekündigt. Und Dorothea freute sich schon, mit der Freundin über deren Zukunftspläne zu sprechen und mit ihr über die Plantage zu streifen.
Während der Monate, in denen der Kaffee geerntet wurde, reiste Antonio mehrmals nach Puntarenas, um den Transport und die Verladung der Bohnen zu beaufsichtigen. Früher hatte dies zu Pedros Aufgaben gehört, doch mittlerweile waren ihm mehrtägige Reisen auf dem Rücken eines Mulis zu anstrengend geworden. Er beschränkte sich auf Tagesausflüge zur Jagd oder um sich mit Freunden zu treffen, dies aber regelmäßig und in kurzen Abständen. Ansonsten hielt er die Zügel des Unternehmens weiterhin fest in der Hand. Antonio war, wie alle anderen Angestellten auch, sein Befehlsempfänger. Das jedenfalls hatte Dorothea bald herausgefunden. Doch Antonio beklagte sich nie über seine abhängige Stellung, und sie zweifelte nicht daran, dass die Unterordnung unter den Vater unerlässlicher Teil seiner Ausbildung war. Schließlich sollte er die Plantage später einmal in eigener Verantwortung leiten.
Die Tage auf der Hacienda verliefen gleichförmig und ereignislos. Dorothea fühlte sich überflüssig und unausgefüllt und überlegte, wie sie sich nützlich machen konnte. »Ich brauche endlich wieder eine Aufgabe, Antonio. Im Haushalt gibt es nichts für mich tun, das erledigen alles die Bediensteten. Kann ich dir nicht bei deinen Geschäften zur Hand gehen? Die Bücher führen vielleicht. Das gehörte auch zu meinen Tätigkeiten bei Jensen.«
Antonio starrte sie entgeistert an. »Was stellst du dir vor? Das ist unmöglich. Vater würde so etwas nie dulden.«
»Und … wenn ich wieder bei den Siedlerkindern Unterricht gebe? Sie fehlen mir … Vielleicht nur einen Tag in der Woche oder zwei«, fügte sie rasch hinzu, als sie sah, wie Antonios Gesicht erstarrte.
»Meine Liebe, glaubst du wirklich, ich erlaube dir, fremde Kinder zu unterrichten? Fürs Geldverdienen bin schließlich ich zuständig. Stell dir den Skandal vor, wenn die Gattin eines künftigen Kaffeebarons arbeiten geht! So etwas schickt sich nicht in unseren Kreisen. Man würde uns für verrückt erklären.«
Kurz vor Weihnachten befiel Dorothea ein unerwartetes Magendrücken. So als hätte sie zu schwer und zu fett gegessen. Dabei hatte sie sich schon längst an die costaricanische Küche gewöhnt, mochte die Gewürze und besonders die schmackhaften Früchte. Und Manuela war eine hervorragende Köchin. Als sie sich eines Morgens nach dem Frühstück für den täglichen Spaziergang umkleiden wollte, konnte sie gerade noch rechtzeitig zur Waschschüssel laufen, bevor sie sich übergab. Danach fühlte sie sich keineswegs besser und sank matt auf ihr Bett. Was war nur mit ihr? Sie neigte doch sonst nicht zur Schwäche. Erst allmählich ahnte sie den Grund ihrer Übelkeit. Sie rechnete nach. Rechnete noch einmal. Das konnte eigentlich nur eins bedeuten. Sie war schwanger!
Sie stieß einen Freudenschrei aus, wäre am liebsten umgehend zu Antonio gelaufen, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Doch ihr Mann war irgendwo auf einem unwegsamen Dschungelpfad zwischen der Pazifikküste und dem Valle Central unterwegs und kehrte vermutlich erst in einigen Tagen zurück. Sie schickte ein Dankgebet zur Gottesmutter und bat sie gleichzeitig um Fürsorge für das unbekannte Wesen, das in ihr heranwuchs. Aber – wie würde Antonio reagieren? Würde er sich auf seine Rolle als Vater freuen? Bisher hatten sie nur ein einziges Mal über Kinder gesprochen, nach der missglückten Hochzeitsnacht. Antonio war ihr ausgewichen, und danach hatte sich das Thema einfach nicht mehr ergeben. Auf die bohrenden Fragen seiner Mutter, wann denn wohl auf der Hacienda Margarita mit
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