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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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sich bietenden Gelegenheit ihre Enttäuschung zum Ausdruck bringen.«
    Nach dem Walzer führte Antonio seine Gattin zum Tisch zurück, vorbei an Männern im Frack und Frauen, die nach Jasmin- und Rosenparfum dufteten und über einer Unzahl raschelnder Unterröcke farbenfrohe, weite Ballkleider trugen. Dorothea hatte sich für eine Kreation aus graublauer Rohseide in der Farbe ihrer Augen entschieden. Einziger Zierrat war ein weißer Spitzenbesatz an den Ärmeln. Ihre Robe war schlichter und schmaler geschnitten als die der übrigen Damen, und doch war es Dorothea, die die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zog. Und sie genoss die eindeutigen Blicke, sagte sich, sie habe diese Art von Huldigung zu Recht verdient.
    Die Musik setzte erneut mit einer Mazurka von Chopin ein. Derselben, die sie Jahre zuvor auf dem Klavier in ihrem Elternhaus gespielt hatte, während ein selbstgefälliger Apotheker den Klängen gelauscht und sich dabei einen Rosinenkrapfen nach dem anderen in den Mund geschoben hatte.
    »Lass uns tanzen, Antonio! Ich liebe Chopin!«, rief sie und sprang vom Stuhl auf. Dabei stieß sie mit der Hand ein halb volles Glas um, und ein wenig Wasser rann auf ihren Rock. Antonio zückte sein Taschentuch, und Dorothea tupfte den Fleck rasch trocken. »Schon erledigt. Es waren nur ein paar Tropfen.«
    Als sie das Tuch zurückgeben wollte, stutzte sie. Das waren nicht Antonios Initialen. Die dunkelblaue Stickerei zeigte die ineinander verschlungenen Buchstaben H und L. Antonio nahm ihr das Taschentuch aus der zitternden Hand, führte sie mit unbewegter Miene zurück auf die Tanzfläche und drehte sich mit ihr im neuen, schnelleren Rhythmus. Dorothea sah plötzlich alles wie durch einen Schleier. Die tanzenden Menschen, die funkelnden Lüster, die Blumenbuketts auf den Tischen. Wie von fern hörte sie die Kapelle spielen. Ließ sich zum Tisch zurückgeleiten, lächelte betont herzlich, begrüßte Bekannte, deren Weg sie kreuzten, trank Champagner, lächelte weiter, als Antonio immer wieder ihre Hand an sein Herz drückte oder zärtlich ihre Finger küsste, nickte ergeben, erzählte ihren Tischnachbarn von Olivias Fortschritten im Klavierspiel, von Federicos Reitkünsten und spürte, wie das Lächeln allmählich in ihrem Gesicht festfror.
    Während der Rückfahrt sprach sie kein einziges Wort. Wartete, bis sie zu Hause angekommen waren, und stellte Antonio zwischen Herrenhaus und Stallungen, wo niemand sie belauschen konnte, endlich zur Rede. Weil sie befürchtete, sonst ersticken zu müssen.
    »Ich halte das nicht länger aus. Und ich will es auch nicht. Wie oft hast du versprochen, dich zu ändern? Und was ist daraus geworden? Immer wieder brichst du dein Versprechen. Mimst den liebevollen Ehemann, wenn wir in Gesellschaft sind. Und ich soll brav mitspielen. Damit nach außen hin der Anschein eines harmonischen Familienlebens gewahrt bleibt, wie du einmal so treffend gesagt hast. So kann ich nicht weiterleben.« Ihre Stimme klang bitter, aber sie konnte nicht weinen. Zu viele Tränen hatte sie schon in endlosen, einsamen Nächten vergossen.
    »Wie redest du mit mir? Du tust gerade so, als sei ich ein Unmensch. Als ob du durch die Ehe mit mir nicht auch Annehmlichkeiten hättest. Du lebst in einem Haus mit Dienstboten, hast zwei Kinder, dir steht die Hälfte meines Vermögens zu … Du musst dir mehr Mühe geben, mich zu verstehen«, forderte Antonio gereizt.
    Dorotheas Ton wurde lauter und schärfer. »Tatsächlich, muss ich das? Warum kannst du nicht ausnahmsweise einmal versuchen, mich zu verstehen? Und dir überlegen, wie ich mich fühle, wenn ich immer wieder hintergangen werde. Wem gehört das Taschentuch, das du mir vorhin auf dem Ball gereicht hast? Sag es mir – wer ist dieser Mann?«
    Antonio machte eine abwehrende Handbewegung. »Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Außerdem kann und will ich nicht darüber reden. Warum quälst du mich so? Es ist alles schon schlimm genug.«
    »Ach, ich quäle dich … Nun, wenn das so ist, dann sollten wir gemeinsam nach einer Lösung suchen, wie wir diese Qual beenden.«
    Antonio zuckte zurück. Im Schein der Fackeln, die den Weg erhellten, entdeckte Dorothea plötzlich Unsicherheit in den Augen ihres Mannes.
    »Wie … wie meinst du das?«
    »Ich brauche kein Haus mit Dienstboten, und ich erhebe auch keinen Anspruch auf das Vermögen meines Ehemannes. Ich gehe von hier fort. Ich suche mir eine Stelle als Lehrerin und will ein selbstbestimmtes Leben führen.«
    »Du

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