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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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    »Aber Olivia, du bist das hübscheste und klügste Mädchen weit und breit. Du darfst nicht glauben, was die Freundinnen sagen. Das war bestimmt nicht so gemeint … Ich hatte den Eindruck, ihr habt euch sogar recht gut verstanden und auch schön miteinander gespielt.«
    »Nein, haben wir nicht! Außerdem weiß ich selbst, was gemeint war, das musst du mir nicht sagen. Und den neuen Vorhangstoff, den du gekauft hast, finde ich furchtbar hässlich. Ich will mir selbst ein Muster aussuchen.«
    Sie rannte davon, und Dorothea sah dem kleinen Wirbelwind mit den fliegenden Zöpfen hinterher, fühlte sich hilflos und enttäuscht. In letzter Zeit wurde der Umgang mit Olivia zunehmend schwierig. Sie rebellierte gegen nahezu alles, was die Mutter sagte oder tat, wollte alles selbst bestimmen, fühlte sich ständig bevormundet. Dabei meinte Dorothea es doch nur gut, wollte der Tochter alle Liebe und Wärme geben, zu der sie fähig war.
    Mit einem Gefühl der Bitternis zog sie Bilanz. Antonio mied ihre Nähe, Federico war lieber mit dem Großvater als mit seiner Mutter zusammen, und Olivia verabscheute Zärtlichkeiten und gute Ratschläge. Die Schwiegereltern hatten nach außen hin zwar ihren Frieden mit Dorothea geschlossen, aber richtig angenommen fühlte sie sich immer noch nicht. Sie war eine Außenseiterin in der eigenen Familie. Wie sie es als Kind schon einmal erlebt hatte. Was, um alles in der Welt, machte sie falsch?
    Ihre Familie brauchte sie nicht. Womöglich kamen alle sogar besser ohne sie zurecht. Und mit einem Mal sehnte sie sich nach der Zeit zurück, als sie die Siedlerkinder unterrichtet hatte. Als sie ungebunden war. Frei war.
    »Welch ein herrlicher Ball! Hat sich Ihre Gattin denn schon ein wenig bei uns eingelebt?«
    Dorothea ahnte bereits, wer hinter ihrem Rücken so spitzzüngig daherredete. Sie wandte sich um und stand einer fülligen silberhaarigen Matrone gegenüber. Die Frau trug das Haar streng nach hinten gekämmt und hatte einen auffälligen Oberlippenbart. Es war Señora Torres Picado, eine Jugendfreundin ihrer Schwiegermutter. Wann immer sie sich begegneten – bei Festen, Empfängen oder hier auf dem Ball im Präsidentenpalast –, diese Frau verstand es stets, sich durch taktlose Fragen hervorzutun. Fragen, in denen immer ein unausgesprochener Vorwurf und eine gewisse Missgunst mitschwangen.
    Wie immer trat sie mit ihrer Tochter Ericka auf, die wortkarg und schmallippig neben ihrer Mutter stand. Beide Frauen trugen Kleider vom gleichen Schnitt, die sich nur in den Farben unterschieden. Dorothea überkam ein Gefühl des Unbehagens. Was sollte sie dieser Unhöflichkeit entgegensetzen? Doch da nicht sie, sondern ihr Ehemann angesprochen worden war, entschied sie sich für ein besonders herzliches Lächeln. Und da kam ihr Antonio auch schon zu Hilfe.
    »Meine Frau hat mehr als ein Drittel ihres Lebens in unserem Land zugebracht, werte Señora Torres Picado. Sie ist costaricanischer, als ich es bin. Was wohl auf einer starken britischen Prägung seitens meiner mütterlichen Verwandtschaft beruht.«
    Señora Torres Picado verzog den Mund zu einem säuerlichen Lächeln. »Übrigens, beim nächsten Tanz ist Damenwahl. Ich habe soeben mit dem Kapellmeister gesprochen.«
    Dorothea entging nicht, wie sie ihrer Tochter bedeutungsvoll zuzwinkerte und mit dem Fächer in Antonios Richtung wies. Die Musiker hörten auf zu spielen, und die Herren verbeugten sich vor ihren Tanzpartnerinnen. Dorothea griff rasch nach Antonios Hand.
    »Großartig. Für diesen Fall habe ich meinem Mann versprochen, den Rest des Abends nur mit ihm zu tanzen.« Sie zog Antonio zur Tanzfläche, während ihr Señora Torres Picado mit offenem Mund hinterherstarrte. Die Kapelle spielte einen Walzer, und Antonio bewies wieder einmal, welch hervorragender Tänzer er war. Dorothea genoss es in vollen Zügen, sich von ihm über das Parkett führen zu lassen, und wünschte sich, der Tanz möge kein Ende nehmen.
    »Ich habe dieser Frau doch nichts getan. Was hat sie bloß gegen mich?«, fragte sie zwischen zwei Drehungen. Antonio lächelte, zeigte seine Augenfältchen. Dorothea musste sich eingestehen, dass ihr Mann mit jedem Jahr, das er älter wurde, immer noch attraktiver wurde.
    »Ach, lass sie doch, die alte Lanzenotter! Sie ist eine Jugendfreundin meiner Mutter. Vermutlich hatte sie die Hoffnung, ihre Tochter würde einmal Herrin auf der Hacienda Margarita, und sie selbst könne dort ebenfalls einziehen. Nun muss sie bei jeder

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