Das Land zwischen den Meeren
wenn wir uns vom Kapitän trauen lassen? Die Überfahrt ist dann unsere Hochzeitsreise.«
Überrascht sprang Dorothea auf, umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »O ja, eine Hochzeit auf dem Schiff … das ist ein großartiger Einfall. Und meinetwegen müssen wir auch keine Rücksicht auf irgendwelche Verwandten nehmen. Es gibt nur eine Cousine meiner Mutter und deren Sohn. Sie leben irgendwo am Bodensee. Allerdings habe ich sie nie kennengelernt. Und wie sieht es bei dir aus?«
»Tja, wie das bei Familienfehden manchmal so ist … Ich habe einen Onkel und zwei Tanten aus der väterlichen Linie. Die Kontakte sind schon vor Jahren abgebrochen. Leider. Oder auch nicht. Es hat wohl damit zu tun, dass meine Mutter von der Weinsbergschen Verwandtschaft nicht als standesgemäß angesehen wurde … Sag, mein Liebling, wann wirst du mich offiziell deinen Eltern vorstellen? Neulich Abend auf der Straße haben wir ja nur wenige Worte miteinander gewechselt. Ich fand deine Eltern übrigens sympathisch. Wenn auch etwas wortkarg.«
Ein seltsames Gefühl in der Magengrube brachte Dorothea zum Verstummen. Sie wollte den Freund nicht verletzen, ihm nicht auf den Kopf zusagen, dass ihre Eltern ihn ablehnten, ohne ihn überhaupt zu kennen. Nur weil er bei der Zeitung arbeitete und kein Bankier oder Professor war. Weswegen Dorothea beschlossen hatte, den Eltern erst dann von ihren Zukunftsplänen zu berichten, wenn der Vertrag rechtskräftig unterzeichnet war, der ihr und ihrem künftigen Gatten finanzielle Sicherheit bot.
Sie zögerte, räusperte sich, suchte nach einer unverfänglichen Antwort. »Das ist nicht so einfach, verstehst du? Hab noch ein wenig Geduld, Liebster. Ich muss meine Eltern erst langsam darauf vorbereiten, dass ich demnächst nicht mehr zu Hause wohnen werde.«
»Gut, ich verlasse mich ganz auf dich. Du wirst schon wissen, wann der günstigste Zeitpunkt gekommen ist.«
»Hast du nicht vorhin von einer Überraschung gesprochen? Oder willst du mich wieder bis in alle Ewigkeit warten lassen, so wie neulich im Botanischen Garten?« Mit ihren Fragen versuchte Dorothea den Freund auf ein unverfängliches Thema zurückzulenken.
»Ich mache es gern spannend, mein Liebling. Daran muss sich meine künftige Ehefrau gewöhnen. Doch heute will ich dich nicht länger auf die Folter spannen.« Alexander stand von seinem Schemel auf, hob Dorothea so mühelos hoch, als halte er keinerlei Gewicht in den Armen, und setzte sie sanft auf der Bettkante ab.
»Nein, Alexander, das ist unmöglich! Ich kann doch nicht einfach so bei dir … und dann noch auf dem Bett …« Er ließ sich neben ihr nieder und erstickte jeden weiteren Protest mit seinen Küssen. Seine Lippen glitten zärtlich über Haar und Nacken, während seine Hände die Knöpfe an ihrem Kleid öffneten, sich einen Weg unter dem seidigen Mieder bahnten und auf nackte, glühende Haut trafen. Dorothea stöhnte leise auf, wollte ihn abwehren und zog ihn ganz nahe zu sich heran, küsste seine warme Schläfe und spürte, wie unter ihren bebenden Lippen sein Aderschlag schneller wurde.
Auf ein dumpfes Klopfen hin schreckten beide auf. Blitzartig verschwand Dorothea unter der Bettdecke, machte sich so klein und flach wie möglich. Alexander stand auf, richtete seine Kleidung und das zerzauste Haar und öffnete die Tür.
»Ach, Herr Lyskirchen. Sie sind es … Ich habe Besuch. Meine Tante aus Paris ist gekommen.«
»Das hat mir meine Frau vorhin schon erzählt«, polterte der Vermieter mit einer Stimme, der anzumerken war, dass er Tabak und Alkohol nicht abgeneigt war. »Wo ich Sie gerade zu Hause antreffe, Herr Weinsberg … ich wollte fragen, ob Sie mir wohl einem Brief an die Finanzverwaltung schreiben können. Diese Aasgeier wollen nämlich Geld von mir. Von wegen dieser Erbschaft von meinem verstorbenen Großonkel aus Düsseldorf. Der mit dem Holzbein. Sie erinnern sich? Schön, und da dachte ich mir, weil Sie doch so gut fabulieren können …«
»Wenn es Zeit hat bis morgen, weil …« Beherzt trat Alexander dem Hauswirt entgegen und versperrte ihm die Sicht in den Raum. Er legte einen Finger auf die Lippen und fuhr im Flüsterton fort. »Meine Tante ist verwitwet, sie hat keine Kinder, aber Geld wie Heu. Ich war gerade dabei, ihr klarzumachen, dass ich dringend ihren … Rat brauche. Wenn Sie verstehen …« Dabei rieb er augenzwinkernd Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Na, und ob!« Der Vermieter lachte dröhnend und klopfte Alexander
Weitere Kostenlose Bücher