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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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einem breiten Lächeln. Nein, sie wollte nicht höflich sein, wollte nicht gefallen. Jedenfalls nicht diesem Mann vis-à-vis, der bei jedem Bissen schmatzte und sich nach jedem Gang die Stirn abtupfen musste. Doch Peter Lommertzheim schien die Ironie in ihren Worten nicht bemerkt zu haben.
    »Reizend … Ach ja, die heutige Jugend. So frisch und voller Idealismus. Als ich im Alter von Fräulein Dorothea war …«
    Das Erscheinen des Dienstmädchens unterbrach seine Ausführungen. Greta sammelte Suppentassen und Löffel ein und trug die Terrinen mit dem Hauptgericht auf.
    »Auf meinen besonderen Wunsch hin gibt es heute schwäbischen Zwiebelrostbraten und Spätzle. Und als Nachspeise Ofenschlupfer. Beides eine Reminiszenz an die Heimat meiner Gemahlin. Sie stammt vom Bodensee«, erklärte Hermann Fassbender, griff nach der Hand seiner Ehefrau und drückte sie liebevoll an die Brust. Befremdet beobachtete Dorothea diese Szene demonstrativen Einvernehmens. Zärtlichkeiten zwischen den Eltern hatte sie bisher niemals gesehen. Offenbar sollte dem Apotheker das Bild einer harmonischen Familie vermittelt werden, in die einzuheiraten ein Glücksfall sei.
    Als aber das Dienstmädchen trotz der vorherigen eindringlichen Unterweisung Weißwein anstelle von Rotwein zum Hauptgericht servieren wollte, war es mit der zur Schau gestellten Einmütigkeit vorbei.
    »Ich muss mich doch sehr wundern, meine Liebe. Wie konntest du nur eine solch unqualifizierte Kraft einstellen?«, empörte sich Hermann Fassbender mit vorwurfsvollem Unterton. Was seine Frau zu vehementer Rechtfertigung nötigte.
    »Du hast leicht reden, du kümmerst dich nur um deine Patienten. Wenn du wüsstest, wie schwierig es ist, zuverlässiges Hauspersonal zu bekommen … Habe ich nicht recht, Herr Lommertzheim?«
    Der Apotheker ließ die Gabel mit dem Rostbraten sinken, blickte unsicher zwischen den Eheleuten hin und her und murmelte dann zwischen zwei Bissen: »Nun ja, ich meine … Sie haben natürlich vollkommen recht, gnädige Frau … und Sie auch, lieber Herr Doktor. Zweifellos.«
    Den Nachtisch verspeiste Peter Lommertzheim mit ebenso großem Appetit wie die Gerichte zuvor. Sibylla Fassbender griff zu der silbernen Glocke auf dem Tisch und rief nach Greta. »Den Kaffee wünschen wir im Wintergarten einzunehmen. Bitte decken Sie dort auf.«
    Nachdem das Dienstmädchen Kaffee, Likör und Rosinenkrapfen aufgetragen hatte, nahmen alle ihre Plätze ein.
    »Nun erführe ich aber gern von dem Fräulein Dorothea etwas über seine Zukunftspläne«, erklärte der Apotheker und stopfte sich einen ganzen Krapfen in den Mund. »Fremde Kinder zu unterrichten kann kein Lebensziel sein. Das Fräulein denkt doch sicherlich an Heirat und eigene Kinder.«
    Dorothea musste plötzlich an den Botanischen Garten denken, in dem Alexander ihr einen Antrag gemacht hatte, an seine starken Arme, in denen sie sich beschützt und geborgen fühlte, an die Momente, in denen er sie zum Lachen gebracht hatte. Und dann beschloss sie, das Geschehen, das sich hier vor ihren Augen abspielte, als heiteres Theaterstück anzusehen, in dem ein betulicher älterer Mann einem jungen Mädchen den Hof macht und die Eltern des Mädchens sich um einen guten Eindruck bemühen. Während weder Gast noch Eltern ahnen, dass die Umworbene längst einen Bräutigam gefunden hat.
    Sie tastete unauffällig nach dem Herzmedaillon unter ihrem Kleid und erhob sich. Mit einem Mal fühlte sie sich zum Scherzen aufgelegt. »Das Fräulein Dorothea würde Ihnen gern etwas auf dem Klavier vorspielen, Herr Lommertzheim. Lieben Sie Bach? Oder Mozart? Nein, warten Sie. Ich weiß, welcher Komponist Ihnen mit Sicherheit gefällt – Chopin. Sie hören eine Mazurka in G-Dur.«
    Dorothea setzte sich ans Klavier und suchte die Noten heraus. Sie zwinkerte dem Apotheker kokett zu, stellte sich vor, Alexander sei bei ihr, für den allein sie spiele. Wie von selbst flogen ihre Finger über die Tasten, entlockten dem Instrument Töne voller Zartheit und Ausdruckskraft. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Peter Lommertzheim einen Krapfen nach dem anderen vertilgte und sich dazu jeweils ein Glas Schlehenlikör genehmigte. Zwischendrin starrte er sie mit offenem Mund an und lauschte andächtig. Die Eltern zumindest schienen erleichtert über das unerwartete Wohlverhalten ihrer Tochter und nickten sich einige Male aufmunternd zu.
    Bei der Verabschiedung dankte der Apotheker seinen Gastgebern überschwänglich für die Einladung und den

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