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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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Somit ist er ein idealer Heiratskandidat für ein junges Mädchen. Alt genug, um das Leben zu kennen und sich keinen Illusionen hinzugeben, und noch jung genug für eine eigene Familie. Obendrein sieht er gut aus, da musst du mir doch recht geben. Was ist denn, Dorothea? Was hast du nur?«
    Von plötzlichem Brechreiz befallen, sprang Dorothea auf und rannte in ihr Zimmer. Sie beugte sich über die Waschschüssel, würgte mehrere Male und übergab sich in einem kräftigen Schwall. Danach fühlte sie sich etwas besser. Im Spiegel erblickte sie ihr bleiches Gesicht und erschrak. Mit einem Handtuch wischte sie sich den Mund ab und kniff sich in die Wangen, um zumindest eine leichte Röte hervorzuzaubern. Danach kehrte sie ins Speisezimmer zurück. Die Mutter stand aufgeregt in der Tür und setzte sich erst wieder, nachdem auch Dorothea ihren Platz eingenommen hatte.
    »Was ist los mit dir? Du gefällst mir heute überhaupt nicht. Du wirst doch nicht etwa krank werden.«
    Dorothea wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und schüttelte entschieden den Kopf. »Aber nein, mir geht es gut. Ich habe wohl gestern Abend etwas gegessen, das mir nicht bekommen ist.«
    Sibylla Fassbender hob die Brauen und schüttelte den Kopf. »Aber wir haben doch alle dasselbe gegessen, und deinem Vater und mir geht es ausgezeichnet. Ich hoffe übrigens, Herrn Lommertzheim auch. Nun iss noch eine Scheibe Brot, Dorothea, du bist ohnehin viel zu dünn.«
    Als sie fühlte, dass ein Schweißausbruch nahte, stand Dorothea rasch vom Tisch auf. »Schon kurz vor neun. Ich muss mich fertig machen.« Kaum hatte sie die Esszimmertür hinter sich geschlossen, musste sie sich ein zweites Mal übergeben. Sie reinigte sich Gesicht und Hände, warf den Mantel über und hastete aus der Wohnung.
    »Ihr seht ja aus, als hättet ihr den ganzen Botanischen Garten umgegraben!«
    Agnes Rodenkirchen stand in der Diele und nahm ihre Sprösslinge in Empfang. Diese zogen zuerst die Schuhe, dann die lehmverschmierten Mäntel aus und ließen sie auf die hellen Marmorfliesen fallen. Das Dienstmädchen eilte herbei und trug die verschmutzte Kleidung in die Waschküche.
    »Bin müde, hab Durst«, maulte Maria und kletterte auf einen mit dunkelblauem Samt bezogenen Sessel, rollte sich dort wie ein Igel zusammen.
    »Ich hab Hunger«, klagte Moritz und richtete sich breitbeinig und mit verschränkten Armen vor der Mutter auf. »Die Köchin soll mir was zu essen machen.«
    »Zuerst verabschiedet ihr euch von eurer Lehrerin und wünscht ihr frohe Feiertage.«
    Mürrisch kletterte die Kleine vom Sessel und reichte Dorothea die Hand. »Frohe Ostern. Aber Hausaufgaben will ich nicht machen.«
    Dorothea lachte und strich dem Kind über das feine, lockige Haar. »Das brauchst du auch nicht, meine Liebe. Ihr habt Ferien und sollt euch vom Lernen erholen. Und wenn wir uns in zwei Wochen wiedersehen, dann erzählt ihr mir alles, was ihr erlebt habt.«
    Agnes Rodenkirchen erhob die Stimme. »Ihr zieht eure Hausschuhe an, wascht euch die Hände, und dann darf sich jeder bei der Köchin ein Stück Apfelkuchen und einen Becher Kakao holen. Und bis zum Abendessen will ich keine Streitereien mehr hören, habt ihr mich verstanden?«
    »Ich krieg aber das größere Stück Kuchen!«
    Blitzschnell zog Moritz seine Schwester an den Zöpfen und flitzte in die Küche. Maria jaulte auf und trampelte heulend hinterher.
    »Du bist gemein. Immer bist du gemein zu mir.«
    Agnes Rodenkirchen hob die Schultern. »Ach ja, so sind Kinder eben. Was sich liebt, das neckt sich … Sie sehen heute ziemlich blass aus, Fräulein Fassbender. War der Ausflug etwa zu anstrengend für Sie?«
    »Aber nein. Die beiden waren die reinsten Engel. Ich muss mir gestern Abend wohl den Magen verdorben haben.« Dorothea wollte sich keinesfalls nachsagen lassen, sie könne sich ihren Schützlingen gegenüber nicht durchsetzen.
    »Das freut mich zu hören. Das mit den Kindern, meine ich.« Agnes Rodenkirchen lächelte zufrieden und strich sich über den blassblauen Seidenrock. Dann reichte sie Dorothea die Rechte, an deren Mittelfinger ein dicker Saphirring funkelte. Ein Geschenk des Hausherrn zum vierzigsten Geburtstag seiner Gattin, wie Dorothea von der Köchin erfahren hatte. »Gute Besserung, Fräulein Fassbender, und genießen Sie die freien Tage.«
    Der Beamte am Postschalter schüttelte bedauernd den Kopf, als Dorothea nach einem Brief fragte, und erklärte, dass sich an manchen Tagen aufgrund unvorhersehbarer

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