Das Landmädchen und der Lord
betrifft, hast du mich verunglimpft. Und das missfällt mir.“
„Soviel ich hörte, warst du betrunken und hast irgendetwas über eine riskante Mission ausgeplaudert.“ Harrys Miene verhärtete sich. „Zweifellos wusstest du, dass wir von Spionen umringt wurden. Wenn du uns nur unabsichtlich verraten hast – wegen deines Geredes mussten an jenem Tag so viele Männer sterben …“
„Genauso gut hätte jemand anderer in betrunkenem Zustand darüber sprechen können. Wenn du mich verdächtigst – warum forderst du mich nicht zum Duell? Fechten wir’s aus, bringen wir den Streit hinter uns. Schon viel zu lange vergiftet er die Atmosphäre zwischen uns beiden.“
„Nimmst du deshalb Fechtunterricht? Spar dir die Mühe, ich will nicht gegen dich kämpfen. Und falls ich mich doch noch dazu entschließen sollte, würde ich Pistolen wählen.“
„Offenbar glaubst du, ich wäre zu feige, um dir mit Pistolen gegenüberzutreten.“
„Das ist mir egal“, sagte Harry. „Wenn du mich zu provozieren versuchst, verschwendest du nur deine Zeit. Ich werde mich nicht mit dir duellieren. Falls ich dich töten wollte, hätte ich meine Chance genutzt, als du Miss Hampton beleidigt hast. Damals dachte ich, du wärst das Aufhebens nicht wert. Und inzwischen hat sich nichts an meiner Meinung geändert.“
„Verdammt, du bist unverschämt, Pendleton! Wenn ich deinen Tod wünschte, wäre eine Kugel in deinem Rücken die beste Rache. Da du mich für einen Feigling und Schurken hältst – warum sollte ich nicht jemanden engagieren, der dich umbringt?“
„Weil solche Machenschaften deinen Tod bedeuten könnten. Für uns alle wäre es am besten, du würdest ins Ausland ziehen, Northaven. Nach Paris oder Rom, dort kannst du nach Lust und Laune dein Unwesen treiben. Allzu lange wird man dich in London nicht mehr willkommen heißen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte Harry sich ab und verließ den Fechtraum.
Erbost starrte Northaven ihm nach. Eines Tages würde Harry Pendleton bekommen, was er verdiente. Northaven wusste nicht, ob seine Trunkenheit und achtlos geäußerten Worte zu dem Hinterhalt geführt hatten, in den Harry und seine Freunde geraten waren. Aber alle drei machten ihn für den Tod von zehn Männern verantwortlich.
Vor jenem Tag hatte er zu ihnen gehört. Und seit damals behandelten sie ihn wie einen Aussätzigen. Dafür hasste er sie alle, insbesondere Pendleton. Irgendwann würde er sich rächen. Selbst wenn es noch Jahre dauern mochte. Und sobald er eine Schwachstelle fand, würde er erbarmungslos zuschlagen.
Susannah trug ein neues Kleid aus grüner Seide, dazu eine hellgelbe Pelisse. Auf der Krempe ihres grünen Huts leuchteten gelbe Gänseblümchen, das Retikül aus gelber Seide war mit Perlen verziert.
Bei ihrem Anblick spürte Harry, wie sein Herz schneller schlug. So jung und unschuldig sah sie aus, wie der perso nifizierte Frühling, und es tat ihm ein bisschen leid, dass er den Plan aufgegeben hatte, mit ihr durchzubrennen. Andererseits durfte ein Gentleman sich nicht so benehmen, und er wäre auch gar nicht auf solche Ideen gekommen, hätte Susannah ihm nicht ihre Abenteuerlust gestanden. Jetzt würde er einfach nur mit ihr durch den Park fahren – und ihr vielleicht einen Heiratsantrag machen. Zweifellos mochte sie ihn. Aber er wünschte sich ihre Liebe , eine leidenschaftliche Liebe von der Sorte „bis dass der Tod euch scheidet“, obwohl der vernünftigere Teil seines Gehirns erkannte, so etwas gäbe es nur in Romanen. Aber diese junge Dame zu heiraten, ohne an ihre Liebe zu glauben – das wäre unerträglich.
„So schön sehen Sie aus, Susannah, wie immer“, sagte er, half ihr auf den Sitz seines Phaetons und nahm neben ihr Platz. „Haben Sie’s auch bequem?“
„Ja, danke. Ich habe von Ihren fabelhaften Rappen gehört, Pendleton. Offensichtlich besitzen Sie einen kostspieligen Stall.“
„Ja“, bestätigte er lächelnd. „Leider darf ich Ihnen nicht erlauben, die Rappen zu lenken – für Sie wären die beiden zu stark. Aber ich würde Ihnen sehr gern ein anderes Gespann anvertrauen und Ihnen Unterricht geben … eines Tages?“
„Oh …“ Atemlos wartete sie. Würde er jetzt um ihre Hand bitten? Als er schwieg, fügte sie hinzu: „Sicher wäre das wundervoll, wenn es sich arrangieren ließe. Allerdings weiß ich nicht, wie.“ Es wäre unschicklich, würde er ihr in einem öffentlichen Park Fahrstunden geben. Aber ein interessantes Abenteuer …
„Im Sommer lade
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