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Das Landmädchen und der Lord

Das Landmädchen und der Lord

Titel: Das Landmädchen und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE HERRIES
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Gespann nur selten brauchen. Ich benutze sie nur, wenn ich es eilig habe. Aber Sie werden in eher gemäßigtem Tempo fahren. Für eine junge Dame schickt es sich nicht, wie der Wind dahinzurasen.“
    „Oh …“ Wehmütig sah sie ihn an. „Nun bin ich sehr enttäuscht. Wenn ich gewisse Fähigkeiten erlangt habe, würde ich gern etwas schneller fahren – natürlich nur auf einer einsamen Landstraße.“
    „Was für ein kühnes Mädchen!“, sagte er lächelnd. „Vielleicht werden wir’s mal versuchen. Doch das dürfen Sie niemandem verraten. Sonst kommen Sie ins Gerede.“
    „Meinen Sie das ernst?“, fragte Susanna hingerissen.
    „Ja …“ Toby zögerte kurz, denn er hatte unbedacht gesprochen. „Aber es muss unser Geheimnis bleiben. Harry würde es missbilligen. Und Ihre Mama sicher auch.“
    „Davon werden sie nichts erfahren. So inständig wünsche ich mir ein Abenteuer. Es würde niemandem schaden. Und wenn wir nicht ertappt werden, wäre es nicht skandalös, oder?“
    „Großer Gott, nein“, erwiderte er leichthin und überlegte, ob es ein Fehler gewesen war, Miss Hampton zu ermutigen. Wenn Harry herausfand, was sie planten, würde es zweifellos Ärger geben. Aber ich will ihr nicht die Freude verderben, dachte Toby. Und möglicherweise würde sie ohnehin vergessen, was er ihr so impulsiv vorgeschlagen hatte. „An dieser Stelle herrscht kaum Verkehr. Wollen Sie die Zügel übernehmen?“
    Ihr Lächeln war ein bezaubernder Lohn. Ob sein Onkel um sie anhalten würde, wusste er nicht. Jedenfalls war sie ein bildschönes Mädchen, mit dem man Pferde stehlen konnte.
    Harry beobachtete, wie der todkranke Mann seinen Letzten Willen unterzeichnete. Mit diesem Dokument ernannte Hazledeane ihn zu seinem Testamentsvollstrecker und zum Vormund seiner Schwester Jenny. Der Gastwirt und der Schreiber eines Anwalts fügten ihre Unterschriften hinzu.
    Danach entfernte sich der Wirt, einen kleinen Beutel mit Goldmünzen in der Hand, die seine Unkosten beglichen. Harry wandte sich an den Schreiber. „Sagen Sie Ihrem Arbeitgeber, ich werde ihn morgen besuchen und Mr. Hazledeanes Nachlass mit ihm erörtern.“
    „Ja, Sir“, antwortete der Schreiber und nahm eine Guinee entgegen, „Mr. Humberston wird Sie erwarten.“ Dann verließ auch er das Zimmer.
    Harry trat ans Bett des Sterbenden, der röchelnd nach Atem rang. „Sicher verstehst du, dass ich die Vormundschaft meiner Mutter übertragen werde, Hazledeane. Ich eigne mich nicht dazu, für ein so junges Mädchen zu sorgen. Was deine Probleme betrifft – ich werde mein Bestes tun. Vermutlich wird der Verkauf deines Landguts nicht ausreichen, um die Schulden zu bezahlen. Welcher Teufel hat dich bloß geritten – so riskant zu spielen, obwohl dein Besitz mit Hypotheken überlastet ist! Wo du doch wusstest, es könnte deinen Ruin bedeuten!“
    „Dazu wird man gnadenlos verleitet“, keuchte Hazledeane. „Was das für Männer sind, ahnst du gar nicht. Schon vor Monaten wusste ich, dass ich an der Schwindsucht leide und nicht mehr lange leben würde. Aus reiner Verzweiflung versuchte ich zu retten …“ Ein heftiger Hustenanfall unterbrach ihn, Blut befleckte das Bettzeug. Zitternd nahm er einen Schluck aus dem Wasserglas, das Harry ihm reichte, und sank erschöpft ins Kissen zurück. „Jetzt geht es nur noch um Jenny. Er wollte sie haben. Das sagte er … Wenn ich ihm meine Schwester ausliefere, wäre ich ihm nichts mehr schuldig. Aber er würde sie benutzen und sich danach von ihr abwenden. Das hätte sie wahrlich nicht verdient.“
    „Wie heißt dieser Mann?“
    „Northaven …“, würgte Hazledeane hervor. „Um Jenny für sich zu gewinnen, betrog er mich am Spieltisch. Das schwöre ich … Diesen Kerl musst du im Auge behalten …“ Gepeinigt bäumte er sich auf. Aus seinem Mund quoll Blut, entkräftet ließ er sich zurückfallen.
    „Ruh dich jetzt aus. Später musst du mir die Namen der anderen nennen …“
    Zu spät, Hazledeane hatte seine letzten Worte gesprochen. Harry schloss ihm die Augen. „Möge der Allmächtige deiner Seele gnädig sein.“
    Er sah sich im Zimmer um und fand einige Wertsachen, die er zusammen mit dem Testament an sich nahm. Nun würde er den Wirt beauftragen, den Vikar zu holen und das Begräbnis zu arrangieren, zu Hazledeanes Landgut fahren und mit Jenny reden. Vielleicht wollte sie ihrem Bruder die letzte Ehre erweise. Hazledeane hatte sich geweigert, sie an seinem Sterbelager zu empfangen, und erklärt, er sei ihrer

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