Das Landmädchen und der Lord
würde.
Was Miss Hazledeane betraf, stellte die Situation für ihn nur ein geringfügiges Ärgernis dar. Seine Beziehung zu Susannah war viel komplizierter. Er hatte beschlossen, um ihre Hand zu bitten. Und jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Hatte er sich nur eingebildet, sie würde etwas für ihn empfinden? Offenbar verstand sie sich sehr gut mit Toby. Würde sein Neffe besser zu ihr passen?
Würde sie meinen Antrag nur annehmen, weil ich ein reicher Mann bin? Um ihrer Mutter und sich selbst eine gesicherte Zukunft zu verschaffen? Wäre er an einer Vernunftehe interessiert, hätte er längst geheiratet. Aber er wünschte sich eine Frau, die ihn ebenso liebte wie er sie. Für Susannah würde er sterben. Natürlich erwartete er von ihr keine so heldenhaften Emotionen. Doch sie sollte zumindest erkennen, dass sie ohne ihn kein glückliches Leben führen könnte.
Vielleicht erhoffte er zu viel. Immerhin war sie schön, charmant und allseits bewundert. Damit würden sich die meisten Männer zufriedengeben. Trotzdem wünschte er sich viel mehr.
6. KAPITEL
An diesem Abend genoss Susannah den Theaterbesuch nicht so unbeschwert wie normalerweise. Nachdem sie zwischen ihrer Mutter und Amelia Platz genommen hatte, sah sie Harry mit zwei Damen eintreten. Mrs. Hampton erklärte, das seien Lady Elizabeth Pendleton und das Mündel Ihrer Ladyschaft – Miss Jenny Hazledeane, die sie am Nachmittag kennengelernt habe.
„Miss Hazledeane ist sehr schön“, seufzte Susannah. Irgendetwas an dem Mädchen erregte eine spontane Abneigung, obwohl sie sich vorwarf, das sei ungerecht, schließlich kannte sie die junge Dame ja nicht. Nur weil deren Hand auf Harrys Arm lag, durfte sie ihr nicht zürnen. Wenn sie mit ihr bekannt gemacht wurde, wollte sie sich ganz besonders freundlich verhalten. „Findest du nicht auch, Mama?“
„Gewiss, das ist sie“, stimmte Margaret Hampton zu. „Ich dachte, sie wäre ein bisschen kühl, sogar reserviert. Aber ich kenne sie nicht gut genug, um mir ein Urteil zu erlauben. Nein, sicher war es falsch, so etwas zu sagen. Sie trauert um ihren Bruder, der erst vor Kurzem starb. Nun steht sie ganz allein auf der Welt. Deshalb wird sie bei Lady Elizabeth wohnen.“
„Also hat sie keine Verwandten?“
„Nein. Ihr Bruder war mit Lord Pendleton befreundet, der jetzt den Nachlass verwaltet.“
„Oh …“ Nachdenklich schaute Susannah vor sich hin. „Glaubst du, sie ist eine reiche Erbin, Mama?“
„Keine Ahnung. Das werden die Klatschbasen bald herausfinden. Nun, darauf kommt es nicht an. Lord Pendleton ist nicht auf das Vermögen einer Frau angewiesen. Außerdem war Lady Elizabeth überaus freundlich zu mir und betonte, sie freue sich darauf, meine Gesellschaft in Zukunft sehr oft zu genießen.“
Von widersprüchlichen Emotionen erfasst, musterte Susannah das Gesicht ihrer Mama, das unverhohlene Zufriedenheit ausdrückte. Anscheinend hatten die beiden Mütter schon alles unter sich geregelt. Nun fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen der Freude auf die offenbar bevorstehende Verlobung und ihrem Ärger über Harry, der ihr Jawort für selbstverständlich hielt. Vor der Abreise aus London hätte sie seinen Antrag ohne Zögern angenommen. Und jetzt war sie sich nicht mehr sicher. Die schroffe Art, wie er Toby abgekanzelt hatte, sein Zorn über ihr Verhalten im Hof des Gasthauses wiesen auf ein aufbrausendes Temperament hin. Würde sie als seine Ehefrau darunter leiden?
Sie versuchte die Erinnerung an den Streit zu verdrängen. Aber sie fürchtete die Pause der Theateraufführung. Dann würde Harry zweifellos Amelias Loge besuchen. Sie sollte recht behalten. Schweren Herzens sah sie ihn mit seiner Mutter und der schönen Miss Hazledeane eintreten. Susannah wurde mit Lady Elizabeth bekannt gemacht, die ihre Wange küsste.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Susannah. So darf ich Sie doch nennen. Mein Sohn hat mir so viel von Ihnen erzählt. Natürlich nur Gutes.“
„Oh … Danke … Mylady.“ Brennend stieg ihr das Blut in die Wangen, als sie Harry einen kurzen Blick zuwarf. Obwohl seine Miene unergründlich wirkte, gewann sie den Eindruck, er würde ihr nicht mehr grollen. Doch sie vermisste das warmherzige Lächeln, das er ihr früher stets geschenkt hatte. „Sie sind sehr liebenswürdig, Ma’am.“
„Demnächst müssen Sie bei mir Tee trinken, Susannah. Dann werden wir uns in aller Ruhe unterhalten.“ Lady Eli zabeth wandte sich zu der jungen Dame an ihrer Seite.
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