Das Landmädchen und der Lord
setzte sich auf eine Bank und beobachtete, wie sich ein paar Vögel um ein Stück Brot zankten, das sie gefunden hatten.
„Offenbar fühlen Sie sich besser, Miss Hampton?“
Harrys Stimme ließ sie verwirrt zusammenzucken. „Wer hat Sie hereingelassen, Sir? Dazu waren die Dienstboten nicht befugt.“ Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt, und er runzelte die Stirn.
„Wäre Ihnen mein Besuch gemeldet worden – hätten sie dem Lakaien befohlen, mir die Tür zu weisen? Verzeihen Sie mir. Ich möchte unter vier Augen mit Ihnen sprechen – aber wenn ich gehen soll …“
„Nein“, flüsterte sie und errötete. „Sicher kommen Amelia und Mama bald zurück.“
„Ihre Zofe führte mich in den Salon. Und da sah ich Sie im Garten, Susannah. Ich glaube, hier draußen dürfen wir uns unbesorgt unterhalten. Durch alle Fenster an der Rückfront des Hauses kann man uns beobachten. Doch ich werde nicht lange bleiben. Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie von einem Arzt untersucht wurden. Immerhin waren Sie eine Zeit lang bewusstlos.“
„Nur einige Minuten“, entgegnete Susannah. „Das verschwieg ich Mama, denn ich wollte sie nicht beunruhigen. Mittlerweile geht es mir wieder sehr gut. Sie weiß nicht, dass ich gestürzt bin, weil ich ihr erzählt habe, ich hätte mir den Knöchel verstaucht, als ich von der Karriole stieg.“
„Finden Sie das klug?“
„Ich möchte ihr unnötige Sorgen ersparen. Wie gesagt, inzwischen habe ich mich erholt.“
„Trotzdem sollten Sie Ihren Knöchel noch schonen. Außerdem bin ich gekommen, um mich für meinen gestrigen Wutanfall zu entschuldigen, Susannah. Ich war so schockiert, als ich Sie in der Sonne sitzen sah, scheinbar allein …“
„Einen so strengen Tadel hatte ich nicht verdient.“
„Vielleicht nicht – aber wie Sie zugeben müssen, achten Sie zu wenig auf Ihren guten Ruf.“
„Mag sein.“ Das Gesicht gerötet, senkte sie den Kopf. „Heute Nachmittag fährt Ihre Mutter mit meiner Mama aus. Ich hoffe, Ihre Einladung auf Ihr Landgut gilt immer noch, Sir?“
„So leicht ziehe ich meine Einladungen oder Freundschaften nicht zurück“, betonte er. Zögernd schaute sie zu ihm auf, doch sie suchte vergeblich nach seinem gewohnten freundlichen Lächeln. „Morgen werde ich Sie wieder besuchen, Susannah“, fügte er hinzu. „Freut mich, wie gut Sie sich von Ihrem Schrecken erholt haben.“
„Oh, ich war gar nicht erschrocken. Nicht einmal, als die Pferde durchgingen. Es war ein Abenteuer, das ich genoss. Obwohl Sie mein Verhalten missbilligen, Sir.“
„Ich verstehe. Wie ich sehe, habe ich Sie schon wieder geärgert. Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt, Miss Hampton.“
Nachdem er den Garten verlassen hatte, blieb sie noch sehr lange auf der Bank sitzen. Tränen rollten über ihre Wangen. Nun hatten sie erneut gestritten, und sie wusste nicht einmal, warum. Von ganzem Herzen wünschte sie, er würde sie mögen – oder lieben, so wie sie ihn. Und nun musste sie fürchten, sie hätte ihn für immer verloren.
Von widersprüchlichen Gefühlen geplagt, ging Harry zu seiner Kutsche.
Das Versprechen, das er dem sterbenden Hazledeane gegeben hatte, war schwieriger zu erfüllen als erwartet. Denn Jenny benahm sich nicht wie ein scheues, fügsames Kind, sondern wie eine sehr selbstbewusste junge Frau. Zwanzig Jahre alt, war sie bildschön, mit dunklem Haar und grünlich braunen Augen. Sie hatte ihm gedankt, weil er ihrem Bruder zur Hilfe geeilt war. Doch sie akzeptierte die Vormundschaft nur widerwillig. Immerhin war sie bereit gewesen, die Reise nach Bath anzutreten, bevor sie den Landsitz seiner Mutter aufsuchen würde.
„Hoffentlich werde ich Ihren Beistand nicht mehr allzu lange brauchen, Sir“, hatte sie erklärt, ein mutwilliges Funkeln in den bemerkenswerten Augen. „Wenn ich einundzwanzig bin, erhalte ich ein kleines Erbe von meiner Großmutter mütterlicherseits. Das wird mir genügen, um ein unabhängiges Leben zu führen. In der Zwischenzeit würde ich sehr gern meinen eigenen Haushalt gründen – falls Sie mir überantworten, was immer Frederick mir hinterlassen hat.“
Als er erklärte, ihr würden höchstens hundert Pfund zustehen, hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt. Aber es war offensichtlich, dass sie einen eigenen Willen besaß.
Nun, um diese Vormundschaft hatte er nicht gebeten. Trotzdem musste er das Wort halten, das er Jennys Bruder gegeben hatte – zumindest bis sie in zwei Monaten ihre Unabhängigkeit erlangen
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