Das lange Lied eines Lebens
hatten, das sie schützte, stürzten kreischend auf die Wege, um zu flüchten. Sie alle, nebst quiekenden
Schweinen, flügelschlagenden Hühnern und halb verrückten Hunden, rannten verzweifelt um ihr Leben.
Eine bockende Ziege stieß einen großen Topf mit siedendem Wasser um, der auf einer Feuerstelle kochte. Dabei wurden zwei nackte Kinder verbrüht. Sie schrien nach ihrer Mama, glitten in der kochenden Flüssigkeit aus, und die gequälte Ziege stampfte auf ihnen herum. Und eine alte Frau, die sich, die Arme über dem Kopf, zusammengekauert hatte, bekam einen Schlag mit dem Schwert ab; ihre abgetrennte Hand flog davon und landete mit dem Handteller nach oben vor ihr auf der Erde.
Die Feuer wurden, so sagte James Richards aus, von einem jungen Weißen ohne Hut gelegt, der herangeritten kam und hoch, hoch über dem Kopf eine brennende Teerfackel schwang. Die Fackel schleuderte er auf das Strohdach von James’ Küche. Zisch! Küche und Haus waren nicht mehr. Dann sprangen die Flammen auf alle anderen Hütten über, die ihre gierigen Zungen erreichten.
Dublin Hilton gab zu, dass der Reiter ein Weißer ohne Hut war, bestand jedoch darauf, der Bakkra habe die Flamme der Fackel verwendet, um in gestrecktem Galopp mehrere Häuser der Reihe nach in Brand zu stecken – als würde er eine Stoppelreihe auf einem Zuckerrohrfeld abbrennen.
Miss Kitty? Dublin Hilton konnte sich nicht daran erinnern, Kitty gesehen zu haben, James Richards dagegen schon. Er erinnerte sich, wie sie einen Weißen vom Pferd gezerrt hatte; der Bakkra hatte seine Peitsche erhoben, um sie zu schlagen, sie aber packte die lederne Peitschenschnur, wickelte ihn darin ein und warf ihn zu Boden. Gar nicht wahr, sagte Elizabeth Millar, denn als die Häuser abbrannten, waren überall Hitze und Rauch und Schwärze. Wer konnte in diesem Durcheinander Miss Kitty erkennen? Und ein Weißer, der von einer Niggerin vom Pferd geschleudert wird? Was für eine unglaubliche Geschichte – dafür wären doch alle aufgeknüpft worden.
Wilfred Park sagte, er habe Miss Kitty am Dorfrand gefunden, wie sie in einem wahren Strom von Lebewesen zum Mühlenhof lief; Eidechsen, Ochsenfrösche, Käfer, Spinnen, Zikaden, Kakerlaken, Skorpione, Schlangen, Schnecken, alles umwimmelte ihre Füße. Als Wilfred diesen Exodus von kribbelkrabbelnden Geschöpfen sah, die frei waren, aus ihren Verstecken hervorzukriechen, um huschend, rennend, hüpfend, gleitend und glitschend mit ihr davonzueilen, fragte er Kitty, ob sie jetzt alle frei seien – wie Mr Bushell, der Missionar, es vorausgesagt hatte? Doch noch ehe Kitty ihm antworten konnte, traf ihn ein dicker Knüppel so hart auf den Kopf, dass alles um ihn herum schwarz wurde.
Aber Wilfred war ein einfältiger Mensch. Laut seiner Nachbarin Fanny war es nicht ein Knüppel, der ihn getroffen hatte, vielmehr wurde er von einem dahingaloppierenden Pferd getreten. Fanny musste den betäubten Wilfred in eine Latrinengrube ziehen, um sich dort mit ihm zu verstecken, während zwei weitere Pferde über sie hinwegtrampelten. Das zappelnde Leben in der stinkenden Grube kitzelte Wilfred kurz darauf wach. Aber auch Fanny hatte gesehen, wie Kitty inmitten der Krabbeltiere, die vor den sengenden Flammen und dem beißenden Rauch flohen, zum Mühlenhof lief, genau wie Wilfred es gesagt hatte. Kitty rannte und hielt sich dabei den mit Wasser befeuchteten Rock vor den Mund, hustete, würgte und spuckte und rang nach Luft, war aber fest entschlossen, ihren Weg fortzusetzen.
Wer sah Kitty als Nächster? Samuel Lewis. Er beobachtete, wie Kitty unter den Pferden der Weißen hindurchkroch, die im Hof des Sudhauses angepflockt waren. Samuel war mit einer brennenden Fackel (die er, wie er schwor, benutzt hatte, um Flusskrebse zu fangen) aufgegriffen und beschuldigt worden, das Bagasselager in Brand gesetzt zu haben. Der junge Milizionär, der ihn gefesselt hatte, hatte ihn gewarnt, sich nicht vom Fleck zu rühren, oder man werde ihn einen Kopf kürzer
machen. So saß Samuel vollkommen reglos mit dem Rücken zur Wand des Sudhauses, als er Kitty sah.
Anne Roberts und Betsy zufolge, die aneinandergeseilt worden waren, weil sie mit Steinen geworfen hatten, waren zu diesem Zeitpunkt nicht viele Neger auf dem Hof zusammengepfercht (anders als bei den Wirren, die sich später ereignen sollten). Nicht einmal der Stock war aufgeschlossen worden, denn den Schlüssel hatte der Arzt. Und die Männer der Miliz, die Angst davor hatten, mit nur unzulänglich
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