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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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war.
    Konnte er es noch? Konnte er zurückkehren in seinen Körper, den er ewig nicht benutzt hatte?
    »Nicht denken, Jean! Fühle!«
    Ja, Manon.
    Nicht zu denken bei der Liebe, dem Liebesspiel, dem Tanz und dem Reden über Gefühle – das hatte Manon ihm beigebracht. Sie hatte ihn »typisch Norden« genannt, weil er seine Gemütsunruhen vor ihr hinter Phrasen und starrem Gesicht zu verbergen suchte. Weil er beim Sex zu sehr darauf achtete, was sich gehörte. Und weil er beim Tanz Manon wie einen Einkaufswagen übers Parkett zog und schob, anstatt so zu tanzen, wie er es sich wünschte. So, wie die Impulse von Wille, Reaktion und Lust es ihm eingaben.
    Manon hatte diese Steifheit aufgeknackt wie eine Nuss, zwischen ihren Händen, ihren nackten Händen, ihren nackten Fingern, ihren nackten Beinen …
    Sie hat mich befreit, von allem, was menschenfeindlich ist. Von dem Schweigen und von Hemmungen. Von dem Zwang, immer nur die richtigen Schritte tun zu dürfen.
    Es heißt, Männer, die ganz in ihrem Körper sind, die riechen es, die fühlen es, wenn eine Frau mehr vom Leben will, als sie bekommt. Das Mädchen in seinen Armen sehnte sich nach dem Fremden, dem ewigen Reisenden, das roch er, während er ihr Herz an seiner Brust schlagen fühlte. Der Unbekannte, der in die Stadt reitet, ihr für eine Nacht alles Abenteuerliche schenkt, ihr all das zu Füßen legt, was hier, in dem Dorf inmitten schweigender Weizenfelder und alter Wälder, fehlte. Dies ist der einzige Protest, den sie sich erlaubt, um nicht bitter zu werden in all der ländlichen Idylle, in der es immer um das Land, um die Familie, um die Nachkommen geht. Aber nie um sie, um sie ganz allein.
    Jean Perdu gab der jungen Frau, was sie begehrte. Er fasste sie an, wie keiner der jungen Tischler und Winzer und Waldbauern es je täte. Er tanzte mit ihrem Leib und ihrer Fraulichkeit, wie es keiner vermochte, der sie von Kindesbeinen an kannte und für den sie doch nur die Marie war, »die Tochter vom alten Schmied, der unsere Ackergäule beschlägt«.
    Jean legte in jede Berührung seinen ganzen Leib, seinen Atem, seine Konzentration. Und er flüsterte ihr Dinge zu, in der Sprache des Tangos, einem brasilianischen Portugiesisch, das Manon und er einst gelernt hatten und sich gegenseitig im Bett zuflüsterten. Sie hatten sich gesiezt, ganz wie die älteren, traditionellen Ehepaare des verblühten Portugals, und sich Anzüglichkeiten zugeraunt.
    Alles blendete übereinander – die Vergangenheit, die Gegenwart, diese junge Frau und die andere, die Manon hieß. Der junge Mann, der er gewesen war, der damals keine Ahnung hatte, wie sehr er Mann sein konnte. Der noch nicht alte, aber ältere Mann, der vergessen hatte, wie es war, Wünsche zu haben. Eine Frau in den Armen zu halten.
    Und hier war er, in den Armen der Katzentänzerin, die es liebte, zu kämpfen, bezwungen zu werden und erneut zu kämpfen.
    Manon, Manon, so hast du auch getanzt. So hungrig danach, etwas nur für dich allein zu erobern. Ohne Familie, ohne das Land deiner Vorfahren auf den Schultern. Nur du, ohne Zukunft, du und der Tango. Du und ich, deine Lippen, meine Lippen, deine Zunge, meine Haut, mein Leben, dein Leben.
    Als das dritte Lied angespielt wurde, der »Libertango«, platzten die Notausgangstüren der Halle auf.
    »Da sind sie, die Säue!«, hörte Perdu eine erregte, zutiefst wütende Männerstimme brüllen.

23
    F ünf Männer drückten sich herein. Die Frauen schrien auf.
    Schon zog der erste Eindringling Cuneos Partnerin aus dessen Armen und machte Anstalten, sie zu ohrfeigen. Der stämmige Italiener fiel ihm in den Arm. Daraufhin kam ein zweiter hinzu, der sich auf Cuneo stürzte und ihm in den Magen boxte, während der andere die Frau mit sich zerrte.
    »Verrat«, zischte P. D. Olson, als Jean Perdu und er die Katzenfrau von dem sichtbar aufgepeitschten, riechbar alkoholisierten Männermob wegführte.
    »Da ist mein Vater«, raunte sie, wachsweiß vor Erschrecken, deutete auf einen der aggressiven Störer mit engstehenden Augen und einer Axt in der Hand.
    »Schauen Sie nicht hin! Gehen Sie vor mir her aus der Tür!«, befahl Perdu.
    Max wehrte einen von zwei zornigen Kerlen ab, die beide meinten, in Cuneo die Personifizierung der satanischen Sexspiele ihrer Frauen, Töchter und Schwestern entdeckt zu haben. Salvatore Cuneo blutete von einem Schlag auf den Mund. Max trat dem einen der Angreifer gegen die Knie, den anderen legte er mit einer Kung-Fu -Drehung aufs Kreuz.
    Dann hastete er

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