Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
zurück zu seiner Brombeertänzerin, die, ganz still und stolz aufgerichtet, immer noch dastand mitten in dem Chaos. Er küsste ihr mit einem Diener galant die Hand.
»Ich danke Ihnen, Königin dieser unvollendeten Nacht, für den schönsten Tanz meines Lebens.«
»Kommen Sie, bevor es der letzte war!«, rief P.D. und zog Max am Arm.
Perdu sah die Königin lächeln, als sie Max nachblickte. Sie hob seine Ohrenschützer auf und drückte sie an ihr Herz.
Jordan, Perdu, P.D., die Katzenfrau und Cuneo liefen zu einem alten blauen Renault-Kastenwagen. Cuneo quetschte seinen Trommelbauch hinters Steuer, P.D., schwer atmend, schob sich auf den Beifahrersitz, Max, Jean und die junge Frau krabbelten hinten auf die Ladefläche, zwischen Werkzeugkästen, einen Lederkoffer, einen Flaschenträger, in dem Gewürze, Essige und Kräuterbüschel standen, und Berge von Lehrbüchern unterschiedlichster Inhalte. Sie wurden durcheinandergeschüttelt, als Cuneo Gas gab, verfolgt von den zornig geschüttelten Fäusten der Männer, die den heimlichen Tanztrieb ihrer Frauen nicht mehr dulden wollten und die fremden Kerle bis auf den Parkplatz verfolgt hatten.
»Dumme Honks!«, spuckte P.D. aus, während er einen Bildband über Schmetterlinge nach hinten warf. »Denken nur in kleinlichen Vorstellungen und halten uns für ein Rudel Swinger, das erst angezogen und später nackt tanzt. Dabei sähe das ja nun wirklich nicht mehr schön aus, all die faltigen, borstigen Murmelhoden, Blähbäuche und dünnen Opabeine.«
Die Katzenfrau prustete, und auch Max und Cuneo lachten – das überzogene Lachen jener, die gerade noch mit dem Schrecken davongekommen waren.
»Sagen Sie … könnten wir trotzdem bei einer Bank haltmachen?«, fragte Max sehnsüchtig, als sie mit achtzig Sachen auf dem Rückweg zum Schiff Cepoys Hauptstraße entlangbretterten.
»Nur wenn Sie sich für einen Job als Kastratensänger interessieren«, grollte P.D.
Wenig später hielten sie vor dem Bücherschiff. Lindgren und Kafka lagen wohlig gelangweilt in der Frühabendsonne an der Fensterfront und ließen sich nicht von dem aufgeregten Krähenpärchen stören, das aus der sicheren Höhe eines verlebten Apfelbaumes Beleidigungen herunterschnatterte.
Perdu bemerkte den sehnsuchtsvollen Blick, den Cuneo dem Kahn zuwarf.
»Hier können Sie nicht mehr bleiben, befürchte ich«, sagte er zu dem Italiener.
Der seufzte. »Sie glauben gar nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe, Capitano.«
»Kommen Sie doch mit uns. Wir fahren bis in die Provence.«
»Der alte Buchstabenkleber hat Ihnen meine Geschichte erzählt, sì? Dass ich eine Signorina auf den Flüssen suche, die noch mein Herz bei sich trägt?«
»Ja, ja, der böse Amerikaner hat mal wieder die Klappe nicht halten können. Na, und? Ich bin alt und eh bald tot, ich muss mich noch ein bisschen danebenbenehmen, damit’s reicht. Immerhin habe ich es nicht bei Facebook gepostet.«
»Sie sind bei Facebook?«, fragte Max ungläubig. Er hatte Äpfel gepflückt und sie in seinem Hemd gesammelt.
»Ja, was denn? Nur weil das wie Klopfzeichen im Knast ist?«
Der alte Olson kicherte. »Klar mache ich da mit. Wie soll ich sonst kapieren, was mit der Menschheit passiert? Warum sich der Lynchmob vom Dorfplatz auf einmal weltweit zusammenrotten kann.«
»Äh. Tja. Okay«, sagte Max. »Ich schick Ihnen dann mal eine Kontaktanfrage.«
»Tu das, mein Sohn. Ich bin immer am letzten Freitag des Monats im Internet, zwischen elf und fünfzehn Uhr.«
»Sie schulden uns noch eine Antwort«, sagte Perdu. »Schließlich haben wir getanzt, beide. Also? Und antworten Sie ehrlich, ich kann Lügen nicht leiden. Haben Sie Südlichter geschrieben? Sind Sie Sanary?«
Olson drehte sein faltiges Gesicht in die Sonne. Nahm den unmöglichen Hut ab, strich sich das weiße Haar nach hinten.
»Ich, Sanary … wie kommen Sie darauf?«
»Die Technik. Die Wörter.«
»Ah, ich weiß, was Sie meinen! ›Das große Mamapapa‹, wunderbar – die personifizierte Sehnsucht jedes Menschen nach dem ultimativen Kümmerer, dem mütterlichen Vater. Oder die ›Rosenliebe‹, blühend und duftend soll sie sein, aber ohne Stacheln, was ein Verkennen der Natur der Rose ist. Alles ganz wundervoll. Nur leider nicht von mir. Sanary ist meines Erachtens ein großer Menschenfreund, ein Mensch jenseits aller Konventionen. Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich mag Menschen nicht gern, und immer, wenn ich Gesellschaftsregeln einhalten muss, bekomme ich
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