Das Leben dahinter (German Edition)
ließ sich daran zweifeln wie wertvoll ein solcher Fund für die Wissenschaft sein mochte. Aber auch das gehörte eben zu ihrem Beruf und schließlich waren sie nun einmal hier, um etwas auszugraben, auch wenn es manchmal nur wortwörtlicher Mist war. Dennoch war hier draußen zu sein allemal amüsanter, als bei einem Vortrag zu den letzten anthropologischen Erkenntnissen über die Akh vor neunzig Studenten in einem stickigen Hörsaal zu reüssieren oder in seinem Büro über einer Abhandlung zur Extinktion zu brüten oder aus Langeweile zwanzig neue Arten von Korbblütlern auswendig zu lernen – die Taxonomie war in letzter Zeit doch so dermaßen fleißig.
„Diesmal nicht“, sagte er etwas lauter.
Sie kam hinter ihm angewetzt, schnaufend und keuchend. Die weite, dunkelgraue Hose schlug ihr gegen die herabhängenden Hände, ihr Shirt war bis auf wenige Stellen vollends in Schweiß getränkt, ein überdimensionierter Rucksack hüpfte an einer Schulter auf und ab…
„Das hier könnte wirklich etwas sein“, flüsterte Miles ohne wirklich seinen Kopf zu ihr umzudrehen und legte weitere Zeichen frei.
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Die Inschriften, an denen Miles Finley so eifrig herumpinselte, waren langsam wieder zu erkennen. Clara stand hinter ihm vor einer gewaltigen, glatten Felswand. Sie sah auf seine Hände, die sich emsig bewegten, so schnell, dass sie fast zu einer breiigen Masse zu verschmieren schienen. Kleine Bröckchen und grober Staub lösten sich dadurch immer wieder vom Felsen. Trotz effektiverer Möglichkeiten, überschüssige Schichten abzutragen, bevorzugte Miles diese ursprüngliche Art der Feinarbeit. Ihm war es wichtig , seine Hände zu nutzen, um einen direkten Bezug zum Material vor ihm zu bekommen. Clara hielt dies für Sentimentalität und sinnlose Innovationsfeindlichkeit, aber es war ja schließlich seine Ausgrabung. Im Ganzen erschien ihr aber die Ausrüstung für diese Unternehmung ziemlich vorsintflutlich. Sie gruben mit Spaten und fuhren in einem sogenannten Jeep herum, ein Relikt aus den alten Zeiten auf der Erde.
Das hatte Clara nie verstanden, dass diese Form des Fortbewegungsmittels überhaupt bis hierhin überdauert hatte. In den Vorlesungen über die Geschichte vor dem Exodus hatte sie gelernt, dass die Verbrennung von fossilen organischen Materialien auf Dauer sehr große Schwierigkeiten für die Erde bedeutet hatte, die der Planet bis zu seiner Erkaltung nur mit Mühe hatte kompensieren können.
Als Wad´Akh´Wian besiedelt worden war, wurde es zum Dogma erklärt , die Fehler der alten Heimat niemals zu wiederholen. Die Rücksicht auf das eigene Habitat gehörte dabei genauso zum Manifest wie die Verhinderung sozialer Ungleichheiten und politische Aufklärung. Nach der Devise Wenn wir schon neu anfangen müssen, wollen wir´s auch gleich richtig machen! Doch nichts davon konnte wirklich konsequent durchgesetzt werden, obgleich viele kluge Köpfe sich selbige über die neuen Vorgehensweisen zerbrochen hatten und sie in relativ harmonischer Einigkeit akzeptiert worden waren.
Natürlich gab es auch auf diesem Planeten fossile Brennstoffe in rauen Mengen. Wenn man bedachte wie ähnlich Wad´Akh´Wian der Erde war – die Zusammensetzung der Atmosphäre, die Flora, die Fauna und die Geologie – war es nur eine logische Konsequenz. Der Planet war etwa sechs Milliarden Jahre alt und viele Organismen hatten sich seit einer beinahe genauso langen Zeitspanne hier ausgebreitet und waren zumeist vergleichsweise schnell wieder verschwunden. Der Planet barg dadurch mehr als genug Erdöl, Erdgas und Kohle, doch dessen Verwertung hätte eigentlich nur Mikroben vorbehalten bleiben sollen, wenn man dem Manifest der Verbesserung Glauben schenken wollte. Inzwischen hatte man aber wohl aus Nostalgie wieder begonnen, die alten Verbrennungsmotoren teilweise neu einzusetzen. Es gab nur eine einzige Raffinerie auf dem Planeten und es wurden nur einige wenige Autos gefertigt, denn inzwischen existierten schließlich viel sinnhaftere Fortbewegungsmittel, aber Clara fand, dass selbst dies schon zu viel war, und es störte sie, dass sie selbst mit einem solchen Auto unterwegs waren. Sicher waren Verbrennungsmotoren einfach zu konstruieren, doch der einfache Weg hatte den Menschen bisher selten Glück gebracht.
Sie schüttelte ihre missmutigen Gedanken ab, schließlich wollte sie wissen, was Miles nun gefunden hatte.
Inzwischen konnte sie Akham – die Grundsprache der Akh – relativ gut lesen, doch diese
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