Das Leben dahinter (German Edition)
folgend.
Kontrolle
Lisa Stein kam als erste im Besprechungsraum an.
Ich mag diesen Raum nicht , stellte sie erneut mit einem Murren fest.
Im Gegensatz zum Rest der Argo war hier viel Platz. Hohe Wände, götzenhafte Bilder daran, ein Konferenztisch direkt in der Mitte, der ein wenig verloren aussah und mit acht arglos darum angeordneten Sesseln ausgestattet war, das übliche fahle Licht entflammter Plasmabälle an der Decke und riesige Fenster an der gegenüberliegenden Seite ließen den Raum wie ein Ballsaal erscheinen. Sie griff neben die Tür und ertastete sich ein Headset, das sie kurz darauf über ihre Frisur streifte.
Was sie hier störte war die Stille und die scheinbare Abgeschiedenheit vom Rest des Schiffes. Sie war emsiges Treiben und Hektik gewöhnt, ihr ganzes Leben gestaltete sich in schnellen, kurz aufeinander folgenden Aktionen. Ruhepunkte wie diesen konnte sie nicht leiden.
Es kam recht selten vor, dass hier tatsächlich eine Besprechung abgehalten wurde, denn die Abläufe auf der Argo waren inzwischen mehr als automatisiert, die Ziele und Vorgänge fast immer dieselben. Zudem war Käpt‘n Jason ein äußerst zurückgezogener Mann, der ohnehin kein übermäßiges Interesse an Besprechungen zu haben schien. Meist wurde der Raum daher für gemeinschaftliche Abende verwandt oder eben für ungestörte Gespräche.
„Kommen Sie, meine Herren!“, sprach sie beruhigend hinter sich.
John Cameron trat nach den beiden anderen Männern ein. Er hatte sich wohl unterwegs hinter sie begeben, um sie besser im Auge zu haben. Stein blickte ihn abschätzig an. Dieser Kerl war ihr unheimlich und das nicht nur aufgrund seiner Statur. Selbst er sah in diesem Raum ohnehin nur wie ein Winzling aus. Es war dessen herrische, militante Aura, die ihn so unsympathisch machte. Immer mit dem Kopf durch die Wand und feinfühlig wie ein Vorschlaghammer. Bislang hatte er sich durch diese Art noch keine Freunde hier machen können, aber offenbar war das auch nie seine Absicht gewesen. Er aß allein, schlief allein und verrichtete seine Arbeit allein, denn es gab niemanden seinesgleichen hier.
Der Riese fingerte als erste Handlung ebenfalls nach einem Headset und streifte es sich über den geschorenen Skalp. Sofort leuchtete die Corona über dem Konferenztisch auf. Johannson und Pauli tasteten währenddessen mit ihren verwirrten Augen den Raum ab und blieben zuletzt fast gleichzeitig an Stein hängen.
Wieder ergriff Johannson das Wort: „Und jetzt?“
„Jetzt“, antwortete Stein grinsend, „gehen wir die Vorgänge durch, d ie sie hierher gebracht haben.“
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Frank Pauli war verwundert, dass vor ihm plötzlich das Karmesinobjekt auftauchte, denn es war als hatte es der riesige Raum aufs Geratewohl und ohne Anweisung ausgespuckt. Stein blickte es nur an und sofort begann es sich zu drehen. Mal in die eine, mal in die andere Richtung. Dabei stand sie völlig regungslos da. Die neohyperrealistischen Hologramme an den Wänden, die den Raum mit seltsamen Szenen und Personen verzierten, verschwanden scheinbar grundlos.
Brainware , dachte er erstaunt und starrte auf Steins Headset. Die Entwicklung war nicht neu, doch bislang war die praktische Anwendung auf ein kleines Gebiet begrenzt geblieben. Das Licht durch einen Gedanken einschalten und solche Banalitäten… Kaum der Rede wert und unnötig. Die Steuerung komplexer Abläufe über Gedanken war jedoch eine wesentlich diffizile Sache, zumal die Interpretationen von Wellenlängenänderungen innerhalb winziger Regionen des Gehirns sinnvoll und im Zusammenhang vorgenommen werden mussten, was zwangsläufig unglaublich viel Kapazität und Kreativität des Netzes verschlingen musste.
Es wäre jedoch auf der anderen Seite zu umständlich gewesen, hier ein vorher gespeichertes Programm nach einem Impuls über das Headset ablaufen zu lassen, denn dafür hätte auch eine Geste genügt und wäre bestenfalls als peinliche Effekthascherei zu gebrauchen gewesen. Aber dass die PRO mit der Gedankensteuerung schon so weit war, war ihm nicht bewusst gewesen. Wieder einmal fragte er sich, was die noch alles in petto hatten.
Stein drehte sich zu Pauli und Johannson um. „Wann haben Sie dieses Ding zum ersten Mal gesehen?“, frage sie unverblümt mit mädchenhaftem Charme. Pauli kam sie irgendwie irre vor, darum schwieg er.
Der Hüne Cameron wanderte derweil an den Wänden des Raumes entlang, die Arme stoisch hinter dem Rücken verschränkt, in seiner Monstrosität
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