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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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nicht aussprechen.
    »Hab ich nicht«, sagte sie. »Ich dachte, du hättest das gesagt.«
    »Wieso ich?«, fragte ich. »Ich bin reingekommen und du hast gesagt, Matt und Jon kommen nicht mehr zurück.«
    »Sag mir jetzt alles, was du über Matt und Jon weißt«, verlangte Mom. »Lass nichts aus.«
    »Sie sind am Dienstag weggefahren«, sagte ich. »Zum Delaware River, um dort Fische zu fangen. Am Samstag wollen sie wieder zurück sein. Mehr weiß ich nicht. Und du?«
    »Ich weiß genau dasselbe«, sagte Mom. »Oh, Miranda. Du hast mir den Schreck meines Lebens eingejagt.«
    Ich starrte sie an, dann brachen wir beide in Gelächter aus. Und echt komisch: Während der ganzen hysterischen Schreierei hatte Horton geschlafen, aber kaum, dass er unser Lachen hörte (das allerdings auch ziemlich hysterisch klang), sprang er auf und lief aus dem Zimmer. Worüber wir noch mehr lachen mussten.
    »Und was war nun mit Mrs Nesbitt?«, fragte Mom. »Was hast du damit gemeint, Miranda?«
    Ich dachte daran, welche Ängste Mom ausgestanden haben musste, dass sie uns alle nicht mehr wiedersehen würde. Ich dachte an all die Menschen, die sie letztes Jahr verloren hat.
    »Nichts«, sagte ich. »Ich hab ein riesiges Gräberfeld gesehen. Die Beasley-Brüder lagen da auch. An die hab ich gedacht, als du irgendwas von ›Brüdern‹ gesagt hast. Aber Mrs Nesbitt war nicht dabei. Hoffe ich jedenfalls.«
    Mom nickte. »Solche Gräberfelder wird es jetzt wohl überall geben. Auf der ganzen Welt. Komm, Miranda, du ziehst dir jetzt was Trockenes an, und ich mach dir ein bisschen Suppe warm.«
    Ich tat, was sie sagte. Ich aß sogar die Suppe. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich weiß – mit einer kalten, grausamen Sicherheit – , dass auch wir irgendwann, irgendwo so enden werden: auf einem Leichenberg, der in den sonnenlosen Himmel aufragt.

12. Mai
    »Morgen kommen Matt und Jon nach Hause«, sagte Mom, als müsste sie diesen Satz nur oft genug wiederholen, damit er wahr wurde. »Wir sollten uns schon mal überlegen, wo wir die Fische lagern können.«
    »Meinst du wirklich, sie bringen so viele mit?«, fragte ich. In meinen Träumen – wenn ich mir überhaupt mal welche erlaube – gibt es immer gedünsteten Fisch in Weißweinsoße, dazu gefüllte Backkartoffeln und grüne Butterbohnen. Vorher einen Salat und zum Nachtisch Mousse au Chocolat. Und einen Eisbecher mit warmer Karamellsoße.
    »Ich hoffe es«, sagte Mom. »Ich darf gar nicht daran denken, dass sie vielleicht die ganze Zeit in der Kälte gesessen haben, nur um jetzt mit nichts heimzukommen.«
    »Oder nur mit einer Erkältung«, sagte ich, was Mom vor einem Jahr vielleicht noch geistreich gefunden hätte.
    Vor einem Jahr. Am 18. Mai ist es genau ein Jahr her, dass der Asteroid auf dem Mond eingeschlagen ist. Am 12. Mai vor einem Jahr hatte ich noch keine Ahnung, wie sehr sich mein Leben und das aller anderen Menschen in Kürze ändern würde. Vor einem Jahr war mein größtes Problem … Ach was, vor einem Jahr hatte ich einfach keine Probleme.
    Vielleicht habe ich mir welche eingebildet, aber eigentlich hatte ich keine.
    »Ich glaub, am besten wäre der Keller«, sagte Mom. »Der sollte kalt genug sein, zumindest so lange, bis wir die Fische eingesalzen haben.«
    Ich mag keine Keller. Weder unseren noch den von Mrs Nesbitt. Freunde von mir hatten Keller, die als Spielzimmer ausgebaut oder wenigstens als Lagerraum genutzt worden waren. Aber wir haben nur so einen altmodischen Erdkeller. Im Sommer wuchsen da immer Pilze. Die haben wir nie gegessen, weil Mom Angst hatte, sie könnten giftig sein.
    Champignons. Die fügte ich schnell noch meinem erträumten Fisch-Menü hinzu. Und ganz mutig auch noch einen Erdnussbutter-Schokoladen-Kuchen.
    Mom holte unsere größte Taschenlampe und öffnete die Kellertür. Ich folgte ihr, ganz die brave Tochter. Nach gestern musste ich schließlich noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten.
    »Oh nein«, sagte sie, als sie auf den Boden runterleuchtete. Nicht, dass da ein Boden zu sehen gewesen wäre. Das Licht wurde schon vorher reflektiert. Der Keller stand komplett unter Wasser.
    »Tja, dann müssen wir den Fisch wohl anderswo lagern«, sagte ich, nicht wirklich davon überzeugt, dass das ein Grund zur Sorge war. »Vielleicht in der Garage?«
    »Der Fisch ist nicht das Problem«, sagte Mom, was mich leicht irritierte, schließlich war genau der noch vor dreißig Sekunden das Problem gewesen. »Wir müssen das Wasser aus dem Keller

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