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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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schön.«
    »Mirandas Pokal auch«, sagte Syl. »Und dein Vertrag. Es sind Dinge, die euch etwas bedeuten. Also, wo finde ich eine Schere?«
    Mom schüttelte den Kopf, aber ich holte die Schere und brachte sie Syl. »Den ganzen Zopf kann ich dir nicht abschneiden«, sagte ich. »Der ist zu dick.«
    »Geht schon«, sagte Syl. Sie löste ihr Haar, griff nach der Schere und schnippelte wild drauflos. Als sie fertig war, sah sie genauso struppig aus wie Mom und ich. Aber ihre Wangenknochen kamen sogar noch besser zur Geltung.
    Das Leben ist einfach ungerecht.
    »Und jetzt?«, fragte Mom. »Aus Mirandas Pokal können wir kein Feueropfer machen.«
    »Dann vergraben wir eben alles«, sagte Syl. »Das wird Diana schon verstehen.«
    Ich war mir da nicht so sicher. Und ich wollte auf keinen Fall riskieren, dass der Mond womöglich noch ein Stückchen näher ranrückte, nur weil es da ein Missverständnis gab.
    »Ich hab noch eine Geschenktüte«, sagte Mom. »Vom letzten Jahr Weihnachten. Nein, vom vorletzten. In der bewahr ich die Schleifen auf. Wartet kurz, ich hol sie.«
    »Und ich geh mal ins Bad und guck in den Spiegel«, sagte Syl. »Ich hab schon ewig keine kurzen Haare mehr gehabt.«
    Horton und ich warteten im Wintergarten, bis die beiden zurück waren. Horton hatte nicht das geringste Interesse an unseren Opfergaben gezeigt, deshalb fragte ich ihn erst gar nicht, ob er bereit wäre, seine Lieblings-Spielmaus zu opfern.
    Als Mom und Syl wieder da waren, steckten wir erst den Pokal in die Tüte, legten dann den Vertrag drum herum und stopften Syls Haare dazu.
    »In der Garage müsste eine Schaufel stehen«, sagte Mom. »Hol die doch mal, Miranda. Dann vergrabt ihr beide die Tüte hier vorm Fenster. Ich bleib drinnen im Warmen.«
    »Komm doch mit – «, setzte Syl an, unterbrach sich dann aber so komisch, dass Mom und ich das Problem sofort erkannten.
    »Du kannst Laura zu mir sagen«, erklärte Mom. »Und danke, aber ich guck lieber von hier aus zu.«
    Ich holte die Schaufel aus der Garage, dann kam Syl mit der Tüte raus. Wir fanden eine Stelle, an der Mom uns gut sehen konnte, und wechselten uns beim Graben ab. Der Schnee ist inzwischen weggeschmolzen und der Boden völlig aufgeweicht, deshalb war das nicht besonders anstrengend. Außerdem hatte ich die Tüte zusammengefaltet, so dass sie nicht sehr groß war.
    Ich dachte daran, wie schwer es mir gefallen war, vor dem Leichenberg zu beten, und mir wurde klar, dass ich jetzt erst recht nicht zu irgendeiner Göttin beten wollte. »Sag du was«, forderte ich Syl auf. »Ich bete im Stillen.«
    »Ist gut«, sagte Syl. »Oh Diana, Göttin des Mondes. Nimm unsere Opfer an und schenke unserem Planeten Frieden und Heilung.«
    Ich dachte an alles, was auf der Erde passiert war. An die Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüche. An all die schrecklichen Ereignisse, die ich nicht selbst erlebt habe, die aber mein Leben und das aller Menschen, die ich kenne – und auch derjenigen, die ich nie kennen werde –, für immer verändert haben. Ich dachte an unser Leben ohne Sonne, ohne Mond und Sterne. Ohne Blumen und ohne warme Tage im Mai. Ich dachte an die Zeit vor einem Jahr, an all das Schöne, das ich für selbstverständlich gehalten hatte. Und an all das Unerträgliche, das diese einfachen Freuden ersetzt hat. Und obwohl es mir schrecklich unangenehm war, vor Syl zu weinen, strömten mir die Tränen übers Gesicht.
    »Das ist gut«, sagte Syl und wischte sie mir sanft von den Wangen. »Deine Tränen sind das allerbeste Opfer.«
    19. Mai
    Heute war ein schrecklicher Tag.
    Letzte Nacht hat es angefangen zu regnen und seitdem nicht mehr aufgehört. Es war kalt und windig. Diese Kombination rief mir in Erinnerung, dass wir seit über einer Woche keinen Strom mehr hatten. All die schönen Elektroheizgeräte sind nutzlos.
    Wir hatten keine Ahnung, wann Matt und Jon zurückkommen würden, aber es war klar, dass der Rückweg bei diesem Wetter keine Freude sein würde. Mom sah nach, ob der Keller überschwemmt war, und fluchte so laut, dass Syl und ich sie bis in den Wintergarten hören konnten.
    Seit Jon wieder weg ist, hat Horton kaum noch etwas gefressen, aber er hat es trotzdem geschafft, einen Haarballen hochzuwürgen. Obwohl wir die Alsen immer draußen auf dem Grill braten, stinkt der Wintergarten nach Fisch. Und die zwei Aspirin haben überhaupt nichts gegen meine Kopfschmerzen geholfen.
    Matt und Jon sind heute Nachmittag gegen vier nach Hause gekommen. Letzte Woche haben sie

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