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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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zwei große Säcke voller Fisch und eine Schwiegertochter mitgebracht. Diesmal hatten sie nur einen halb vollen Sack dabei.
    »Wir sind so lange wie möglich geblieben«, sagte Jon. »Aber es waren kaum noch Fische da. Und auch sonst niemand.«
    »Zieht euch was Trockenes an«, sagte Mom. »Wir kommen schon zurecht, auch wenn ihr nicht so viel gefangen habt.«
    Aber alle wissen, dass das nicht stimmt. Den Fisch werden wir in null Komma nichts verbraucht haben. Dann sind wir zu fünft mit Lebensmitteln für vier. Und ich kann mir noch so oft einreden, dass ich Hunger gewohnt bin und dass der gar nicht so schlimm ist – er ist eben doch schlimm und ich hasse ihn. Es ist nur so, dass ich Frieren und Alleinsein noch mehr hasse.
    Matt lief sofort zu Syl und drückte sie so fest an sich, dass ich schon dachte, sie erstickt. »Ich konnte immer nur denken, was mach ich, wenn sie nicht mehr da ist?«, sagte er. »Wenn sie weggegangen ist, während ich fort war?«
    »Warum sollte ich das tun?«, fragte Syl, was nicht ganz dasselbe ist wie ›Ich liebe dich und werde dich niemals verlassen‹.
    Matt löste sich von ihr, und da bemerkte er es. »Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«, fragte er. »Mom, hast du sie dazu gebracht, sich die Haare abzuschneiden? Damit sie genauso beschissen aussieht wie wir anderen auch?«
    »Nein, Matt«, sagte ich. »Mom hat sogar versucht, sie davon abzubringen.« Es schien mir nicht ganz der richtige Zeitpunkt, ihm die Sache mit den Opfergaben für die Göttin Diana zu erklären.
    »Ich war sie leid«, sagte Syl. »Die Wascherei war so mühsam. Außerdem sehe ich jetzt aus wie eine von euch.«
    »Du bist aber keine von uns«, sagte Matt. »Verstehst du das nicht? Ich liebe dich, weil du anders bist als alles, was ich im letzten Jahr ständig ertragen musste.«
    »Ich kann dich auch nicht mehr sehen!«, rief Jon. »Ich hab diese ganze bescheuerte Familie satt!«
    »Matt, geh rauf in dein Zimmer«, sagte Mom. »Und nimm Syl gleich mit. Ihr könnt euch oben weiterstreiten. Und zieh dir was Trockenes an, wenn du schon mal dort bist.«
    »Mom, du kannst mir nicht mehr vorschreiben, was ich zu tun hab«, sagte Matt.
    »Und ob ich das kann«, sagte Mom. »Zumindest, solange du noch unter meinem Dach wohnst. Und jetzt verschwinde!«
    Syl nahm Matt bei der Hand und zog ihn aus dem Zimmer.
    »Miranda, du bringst den Beutel mit den Fischen in die Garage«, sagte Mom. »Jetzt.«
    »Darf ich erst noch meine Jacke anziehen?«, fragte ich.
    »Keine Widerrede!«, sagte Mom. »Raus.«
    Ich schnappte mir den armseligen halb vollen Sack mit stinkenden, unausgenommenen Fischen und lief in den kalten Nieselregen hinaus. Erst als ich vor der Garage stand (was bestenfalls zehn Sekunden dauerte), fiel mir ein, dass ich den Schlüssel für das Vorhängeschloss vergessen hatte. Jetzt konnte ich hier im strömenden Regen warten, bis Mom sich wieder beruhigt hatte.
    Ich überlegte, wie lange Matt wohl brauchen würde, sich in die kurzhaarige Syl zu verlieben. Aber sobald er ihre Wangenknochen bemerkte, wäre er sicher schnell versöhnt. Woraufhin sie ihre Flitterwochen fortsetzen und sich fürs Erste nicht mehr blickenlassen würden. Was mir durchaus recht war.
    Sehr viel ungewisser war jedoch, wie lange Mom für ihr Gespräch mit Jon brauchen würde. Obwohl ich Kopfschmerzen hatte, Fisch hasste und nass, hungrig und verängstigt war, wusste ich doch, dass Jon mindestens genauso nass, hungrig und verängstigt war. Und noch dazu tierisch sauer auf Matt, der ihm in den letzten Tagen das Leben zur Hölle gemacht haben musste.
    Also stellte ich mich dicht an die Garagenwand, den Beutel mit den Fischen neben mir. Der Regen wurde jetzt immer stärker. Keine Chance, dabei trocken zu bleiben. Ich fing an zu zittern.
    »Geschähe ihnen recht, wenn ich jetzt eine Lungenentzündung kriegen würde«, sagte ich laut vor mich hin, denn wenn man draußen im Regen stehen muss, einen halb vollen Sack mit totem Fisch neben sich, dann sagt man solche bescheuerten Sachen.
    Ich überlegte, ob ich die Fische in der Tüte zählen sollte. Wenn ich sie mal zwei nähme, für die beiden fast noch vollen Säcke, und dann die Gesamtsumme durch fünf teilen würde, könnte ich ungefähr abschätzen, wie kurz die Zeit wäre, bis wir wieder von ein paar Dosen Gemüse leben mussten.
    Ich dachte an den Leichenberg.
    Ich dachte, was für eine miese Göttin diese Diana war.
    Ich hatte nicht länger als zehn Minuten im Regen gestanden, aber ich zitterte

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