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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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eigentlich zurechtkommen.«
    »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Laura«, sagte Charlie. »Und Sie werden sehen, wir können alle kräftig mit anpacken.«
    »Gut«, sagte Mom. »Dann wäre das geklärt. Jon, nimmst du eine Tüte mit und holst ein paar Fische aus der Garage? Oder besser ganz viele. Wir müssen leider in Schichten essen, aber so bekommt wenigstens jeder eine Abendmahlzeit.«
    »Wir essen nur zwei Mal am Tag«, sagte Matt.
    »Im Ernst?«, sagte Alex. »Zwei Mahlzeiten am Tag? Das ist Luxus.«
    »Für uns auch«, sagte Matt.
    »Schon gut«, sagte Mom. »Es wird schon klappen. Wir sorgen dafür, dass es klappt.«
    2. Juni
    Den letzten Eintrag habe ich gestern Abend in meiner Ankleidekammer geschrieben – das war der ruhigste Ort, der mir einfiel. Dank der Stifte von Jon hatte ich genügend Licht, und außer dem Gemurmel von Matt und Syl im Nebenzimmer war nur Gabriels Weinen zu hören.
    Er weint wirklich viel.
    Ich habe mein Tagebuch dann wieder an der gleichen Stelle versteckt wie die anderen auch. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie viel zu leicht zu finden sind. Es war schon schwierig, ein Versteck zu finden, als Matt mit Syl nach Hause kam. Und nun? Charlie, Julie und Alex sind mir völlig fremd. Wer weiß, was sie für Menschen waren, bevor das alles passiert ist. Wer weiß, was sie jetzt für Menschen sind.
    Ich war also in meiner Kammer, um nach einem besseren Versteck zu suchen. Deshalb konnte ich dann auch hören, wie Matt und Mom sich nebenan in seinem Zimmer stritten.
    »Sie können nicht hierbleiben«, sagte Matt. »Das weißt du so gut wie ich.«
    »Ich will dir sagen, was ich weiß«, erwiderte Mom. »Jon habe ich es auch schon gesagt, und Miranda werde ich es sagen, sobald wir einen Augenblick allein sind. Es gibt nur eine Person in diesem Haus, die wirklich wichtig ist, und das ist das Baby. Ohne seine Mutter kann Gabriel nicht überleben. Das macht Lisa zur zweitwichtigsten Person. Wir anderen, auch die Mädchen, kommen notfalls irgendwie zurecht. Das hat Syl mir gezeigt. Aber das Baby nicht. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Lisa alles hat, was sie braucht, dass sie genug zu essen bekommt, und dass der Kleine warm und trocken ist. Wenn das bedeutet, dass all diese Menschen bei uns einziehen müssen, dann ist das eben so. Und wenn das bedeutet, dass wir auf Essen verzichten müssen, damit Lisa etwas mehr bekommt, dann ist das eben auch so. Hier wird kein Baby sterben, nur weil ich eine zweite Dose Bohnen gegessen hab. Hast du mich verstanden?«
    »Hab ich«, sagte Matt. »Und auf den ersten Blick klingt das alles ja auch sinnvoll. Aber wenn du dir solche Gedanken um diese zweite Dose Bohnen machst, wie kannst du dann zulassen, dass Dad sie bekommt? Und erst recht all die anderen? Mom, für Jon und mich war es kein Zuckerschlecken, diese Fische zu fangen. Das war wirklich kein Spaß, vor allem beim zweiten Mal. Du weißt so gut wie ich, dass die Lebensmittel aus der Stadt nicht für alle reichen werden. Und dass es damit auch bald vorbei ist. Wenn wir irgendwann von hier wegmüssen, werden wir all unsere Kräfte brauchen. Mit jedem Tag, den wir Dad, Lisa und diese ganze Armee, die sie mitgebracht haben, hierbehalten, verringern sich unsere Chancen. Was, wenn es wieder aufhört zu regnen? Wollen wir uns dann mit ihnen ums Wasser streiten?«
    »Ich werde sie nicht vor die Tür setzen«, sagte Mom. »Für Hal ist das hier keine Durchgangsstation. Ihr seid seine Kinder. Er hat ein Recht auf euch.«
    »Hat er nicht!«, explodierte Matt. »Zwei Mal hat er uns schon im Stich gelassen. Erst hat er dich verlassen – «
    »Das war unsere gemeinsame Entscheidung«, unterbrach ihn Mom.
    »War es nicht«, sagte Matt. »Du hättest die Ehe versucht zu retten, wenn er nicht gegangen wäre, das weißt du genau. Und letzten Sommer sind er und Lisa kurz vorbeigekommen und dann fröhlich weitergefahren. Wir sind den beiden nichts schuldig.«
    »Sie haben uns ihre Lebensmittel dagelassen«, sagte Mom. »Die uns wochen-, vielleicht sogar monatelang am Leben erhalten haben. Die hätten sie auch einfach mitnehmen können. Und wäre es wirklich besser gewesen, wenn sie geblieben wären? Lisa krank vor Sorge um ihre Eltern? Immer weniger zu essen, dann noch die Grippewelle. Vielleicht hätte sie das gar nicht überlebt. Oder das Baby wäre gestorben. Es hätte alles noch so viel schlimmer kommen können, Matt. Keiner kann sagen, was besser gewesen wäre.«
    »Ich weiß nicht, Mom.«

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